«Wir wehren uns, weil wir unser Land stabil und geeint erleben wollen»
Die vorliegende von den DpL lancierte Initiative birgt inhaltlich viele Risiken, die den Nutzen übersteigen. Auch würde sie den Landtag unnötig schwächen. Dabei sollten wir in diesem Hohen Hause an einer Stärkung des Landtags interessiert sein. Die vergangenen Jahrzehnte haben sehr gut gezeigt, dass unser Staatswesen gut funktioniert. Eine Reform wie diese bringt deshalb unnötige Instabilität. Das Stimmvolk hat heute schon sehr weitgehende Rechte, wenn wir nur an die direktdemokratischen Mittel denken. Heute wissen die Wahlberechtigten sehr transparent, was sie nach der Wahl bekommen, da die Parteien jeweils im Vorfeld gut kommunizieren, wen sie ins Rennen um Regierungssitze schicken wollen. Daher besteht hier kein Handlungsbedarf. Das aktuelle System ist sehr gut austariert und hat schon diverse Probleme staatspolitischer Natur ausgehalten. Wir stehen als gut aufgestellter Staat da. Diese Situation sollte nicht ohne Not gefährdet werden.
Die Unabhängigen gaben bereits vor ein paar Jahren eine Studie in Auftrag, wonach ca. 2/3 der Befragten eine solche Volkswahl befürworteten. Das klingt auch zuerst einmal verlockend. Aber es wurde in dieser Studie nie gefragt, wie diese Wahl aussehen sollte. Wäre eine solch überwältigende Mehrheit auch für die Direktwahl, wenn man dafür den Landtag und den Landesfürsten im Gegenzug schwächt? Es zeigt sich, dass dieses Unterfangen, so einfach es auf’s Erste klingt, in der Umsetzung gar nicht so einfach ist. Und das dürften dann wohl auch die DpL zugeben, die sich auch mit dem Sammeln der Unterschriften gemäss ihren Aussagen nach schwerer taten als gedacht.
Die DpL liessen das Zentrum für Demokratie in Aarau eine weitere Studie erarbeiten, wozu die einschränkenden Kriterien klar aufgegeben wurden.
Kurzum kommt man als Leser zum Schluss: Es wird hier ein System so zurechtgebogen, damit es gerade noch den Auftraggebern gefallen kann. Es werden bei der verfassungsrechtlichen Einordnung zahlreiche Schwachstellen aufgezeigt und es erfolgt eine politikwissenschaftliche Einordnung durch Prof. Dr. Daniel Kübler.
Ein paar Zitate des Wissenschaftlers werden nachfolgend zur Veranschaulichung wiedergeben:
Zitat: «Da sie keinem bekannten existierenden Regierungssystem entspricht, gibt es auch keine empirischen Erfahrungen damit. Eine politikwissenschaftliche Einordnung ist deshalb schwierig und muss sich auf Überlegungen allgemeiner Art beschränken.» Zitat Ende
Klingt das nach einem Wissenschaftler, der sich mit so einem Vorschlag wohlfühlt? Und man fragt sich zwangsläufig: Warum kam noch niemand vorher auf so ein gutes System – und zwar weltweit?!
Ein weiteres Zitat lautet. «Grundsätzlich führt die kombinierte Wahl bzw. Ernennung der Regierung und ihrer Mitglieder durch Volk, Landtag und Landesfürsten dazu, dass die Regierung zu einem «Diener dreier Herren» wird.» Zitat Ende. Das darf man auf sich wirken lassen. Unser aktuelles System hat zwei Souveräne, was schon komplex genug ist, sich aber bewährt hat. Warum dies auf’s Spiel setzen für ein Experiment, das «keinem bekannten existierenden Regierungssystem entspricht»?
Nachfolgend eine weitere Aussage, Zitat: «Diese Aussicht auf eine ‹Selbstauflösung› stellt für den Landtag eine grosse Hürde dar. Erwartungsgemäss wird der Landtag von dieser Bestimmung deshalb nur äusserst zurückhaltend Gebrauch machen.» Zitat Ende. Erwartungsgemäss, vielleicht, vermutlich… Eine solche Aussage strahlt keinesfalls eine Sicherheit aus. Und hier ein weiteres Zitat. «Im Vergleich zu heute würde allerdings die Schwelle für den Fürsten erhöht: würde er einem oder mehreren gewählten Mitgliedern der Regierung die Ernennung verweigern, stellt er sich explizit gegen den Volkswillen.» Zitat Ende. Hierbei wird klar der Fürst und das Volk gegeneinander ausgespielt. Für die VU-Fraktion ist das kein Zeichen von vorausschauender und volksdienlicher Staatsführung.
Mit einem System, wie es die DpL vorschlagen, macht man Intermezzos von sogenannten „wilden Kandidaten“ eher wahrscheinlich. Weil dann fällt der Filter durch die Parteien mehrheitlich weg: Jeder und Jede x-beliebige Person kann sich demnach als Regierungskandidat versuchen. Je nachdem werden dann die Ergebnisse zufällig. Je mehr Kandidaten sich aufstellen lassen, desto weniger Quorum braucht es, um in die Regierung zu kommen.
Wird folglich eine Regierung, in welcher zufälligen Zusammensetzung auch immer sie dann besteht, gewählt, beginnen die Probleme erst.
Heute sind wesentliche Teile der Geschäftsverteilung und der Regierungsführung Gegenstand von Koalitionsverhandlungen. Die Ergebnisse werden veröffentlicht und jeder und jede, die es interessiert, kann nachlesen, was beschlossen wurde. Wie laufen die ganzen notwendigen Ausmarchungen zur weiteren Aufstellung der Regierung bei Zufallswahlen gemäss dieser Initiative ab? Dazu schweigen sich die DpL bisher recht stark aus.
Ja, eine Opposition soll Finger in offene Wunden legen. Sie soll Missstände aufdecken und Probleme benennen. So werden wir alle gemeinsam im ganzen System miteinander wachsen. Dazu braucht es auch einmal demokratischen und intensiven Streit. Aber es ist nicht Aufgabe einer Oppositionspartei, ein funktionierendes System derart zu gefährden, dass man in Dauerwahlkampf gerät oder dass mit jeder Meinungsverschiedenheit vom System her die Chance auf eine Staatskrise steigt. Wenn man ein System einführen will, das – wenn es gut läuft – so funktioniert wie das alte, muss man keinen Systemwechsel herbeiführen.
Das Präsidium der VU besteht aus langjährig politisch und politikwissenschaftlich kundigen Personen. Es hat sich schon früh gegen diesen Vorschlag der DpL positioniert, weil es viele Risiken bietet. Jeder, der sich mit politischen Systemen auseinandersetzt, weiss, dass es ein solch gefordertes System, nirgendwo auf der Welt gibt. Das Liechtensteiner System ist auch heute schon einzigartig in seiner Zusammensetzung. Nirgendwo sind die direktdemokratischen Mittel so stark ausgeprägt wie in Liechtenstein. Nirgendwo reichen weniger Unterschriften, um ein Gesetz zu lancieren, ein Referendum zu ergreifen oder die Prüfung einer Verordnung durch den Staatsgerichtshof zu erwirken. Dieses System ist bewährt und hat uns allen sehr gute Dienste erwiesen. Nicht zuletzt aufgrund dieses ausgeklügelten Systems und unserer Verfassung, deren 100-jähriges Bestehen wir vor zwei Jahren gross feierten, dürfen wir heute in Frieden und Wohlstand leben.
Und um abschliessend klarzustellen: Nein, die VU wehrt sich nicht gegen das System, weil sie selbst dabei etwas zu verlieren hätte. Womöglich könnte die VU ja selbst sogar stark von einem solchen System profitieren. Wir wehren uns gegen den Vorstoss, weil wir mit diesem System viel mehr Gefahren für die Stabilität unseres Landes sehen, als dass es Chancen gibt. Wir wehren uns, weil der Landtag mit dieser Umsetzung geschwächt würde. Wir wehren uns, weil der Regierungschef dann in seiner Legitimation sozusagen als «gewählter zweiter Fürst» auftreten kann. Wir wehren uns, weil wir die Regierung als ausführendes Organ der Volksvertretung und des Landesfürsten ansehen. Wir wehren uns, weil wir uns der bewährten Konsenskultur in unserem Land verpflichten wollen. Wir wehren uns, weil wir unser Land stabil und geeint erleben wollen.
Wir als Partei bleiben weiterhin offen für allerhand Ideen, die unserem System gegebenenfalls Verbesserungen bringen können. Aber wir werden auch immer wieder davor warnen, wenn gefährliche Ideen kursieren.
Die VU-Fraktion lehnt die vorliegende Initiative aus den erwähnten Gründen entschieden ab.
Besten Dank.