«Sofort helfen und richtige Lehren aus diesem Krieg ziehen»
Krieg - mitten in Europa. Niemand hätte es sich vorstellen wollen, dass schon so bald nach den Vorgängen am Balkan in den 90er-Jahren wieder eine kriegerische Auseinandersetzung unseren Kontinent beschäftigen wird. Die russische Invasion der Ukraine wird als Zäsur in die Geschichte eingehen. Rückmeldungen in der Bevölkerung gemäss, waren einige überrascht, wie schnell und konsequent unser Land vorging, als es um den Nachvollzug der Sanktionen gegen die angreifende Kriegspartei ging. Diese Reaktion der Regierung halten wir für absolut richtig und konsequent. Liechtenstein hat sich in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten in der Aussenpolitik auch und vor allem als kleines Land lautstark für die Wahrung der Souveränität, Menschenrechte, das Selbstbestimmungsrecht und letztlich für die Freiheit eingesetzt.
Die nachhaltigste Hilfe, die Europa der betroffenen Bevölkerung bieten kann, ist es, so schnell wie möglich für Frieden zu sorgen. Der Einfluss von Liechtenstein ist vorhanden, auch wenn nicht in militärischen Belangen. Einige Stimmen im Land forderten zunächst, dass sich Liechtenstein aus diesem Konflikt heraushalten soll. Man sprach von Neutralität. Dabei wird oft vergessen, dass Liechtensteins Neutralität im Ersten Weltkrieg nicht von allen Kriegsparteien anerkannt wurde, da wir damals aufgrund des Zollvertrags stark mit Österreich-Ungarn verbunden waren. Im Zweiten Weltkrieg erklärte sich Liechtenstein neutral. Der Schweiz (seit 1815) und Österreich (seit 1955) kommt der Status der international anerkannten «immerwährenden Neutralität» zu. Liechtenstein hat diesen Status nicht und muss seine Neutralität im Einzelfall jeweils erklären. In diesem Krieg in der Ukraine sind wir gut beraten, uns auf die Seite der Menschenrechte zu stellen. Angriffskriege sind nicht zulässig. Nicht nur, weil es sich hier um den Angriff einer Atom- und Weltmacht auf einen wesentlich kleineren Nachbarn in Europa handelt. Das hat unsere Regierung in den vergangenen Tagen zurecht unmissverständlich klargemacht. Damit hat sich Liechtenstein mit einer klaren Haltung positioniert. Dafür möchten wir uns bei allen Beteiligten im Aussenministerium und bei unseren diplomatischen Vertretungen bedanken, die in den letzten Tagen besonders gefordert waren und die Interessen unseres Landes unserer Ansicht nach mehr als würdig vertreten.
Liechtenstein wird seine Aufgaben zur humanitären Hilfe ernst nehmen. Auch bei diesem Aspekt hat die Regierung schnell gehandelt. Wir möchten diesbezüglich als VU-Fraktion unsere uneingeschränkte Solidarität mit der Bevölkerung der Ukraine kundtun. Wir gehen davon aus, dass im Lauf der Zeit noch viel mehr Anstrengungen notwendig sein werden. Sei es bei den Beträgen für Hilfsaktionen oder bei der Aufnahme von Flüchtlingen. Wir haben hier das Vertrauen in die Regierung, dass sie, gemeinsam mit der internationalen Gemeinschaft und unseren europäischen Partnern grössenverträgliche Lösungen findet, wie unser Land seinen angemessenen Beitrag leisten kann und wird. Darum kann ich im Namen der VU-Fraktion jetzt schon klarstellen, dass wir auch weitere Massnahmen, die dabei helfen, das Leid zu lindern, unterstützen werden.
Dabei dürfen wir aber auch nicht diejenigen Russinnen und Russen vergessen, die für diesen Krieg nichts können. Genauso richtig wie die internationalen Sanktionen wäre es falsch, alle Russinnen und Russen in den gleichen Topf zu werfen und eine Ablehnung gegenüber einer ganzen Bevölkerung zuzulassen. Überall, auch in unserem Land, gibt es Russinnen und Russen, die sich nicht mit dem Angriffskrieg identifizieren und ihn genauso wie wir verurteilen. Darum müssen wir uns auch dafür einsetzen, dass ein Miteinander nach den Kriegswirren wieder möglich ist. Darum appellieren wir auch in diesem Zusammenhang an alle, ihre Stimme zu erheben, um diesem Konflikt mit Vernunft und Humanismus zu begegnen.
Liechtenstein ist von diesem Krieg direkt betroffen – auch wirtschaftlich. So haben wir in den verschiedensten Sektoren direkte und indirekte Handelskontakte, die nun von Sanktionen betroffen sein werden. Unsere Industrie ist mit Russland vernetzt und benötigt, wie viele private Häuser und Wohnungen, Gas oder Öl als Quelle für Wärme und Energie. 40 Prozent des europäischen Gases kommen aus Russland. Die Energiepreise werden steigen, das Leben in Liechtenstein wird teurer werden.
Wir als VU-Fraktion fordern deshalb auch die Regierung dazu auf, finanzielle Entlastungen für jene Teile unserer Bevölkerung, die davon stark betroffen sind, ernsthaft zu prüfen! Daneben muss auch die Umsetzung der aktuellen Energiestrategie forciert werden, um nebst den wichtigen Klimazielen auch bestehende Abhängigkeiten von den fossilen Energieträgern zu verringern.
Es gilt jetzt, den vom Krieg betroffenen Menschen sofort zu helfen und die richtigen Lehren aus diesem Krieg zu ziehen und diese erneute Krise auf unserem Kontinent als Chance zu begreifen, um unser Leben und das der nachfolgenden Generationen zu verbessern.
Vielen Dank!