Fraktionserklärung zum Antritt des Europaratsvorsitzes
Besten Dank, Herr Präsident. Sehr geehrte Frauen und Herren Abgeordnete.
Gerne trage ich im Namen der VU-Fraktion und auch in meiner Funktion als Vorsitzender der Aussenpolitischen Kommission folgendes Votum vor.
Liechtenstein wird kommende Woche den Vorsitz im Ministerkomitee des Europarats übernehmen. Man konnte bei den bisherigen Informationsveranstaltungen für die Bevölkerung sehen, dass angesichts dieser Verantwortung bereits im Vorfeld eine sehr intensive Zeit der Vorarbeiten steht.
Für die meisten in unserem Land erschliesst sich die grosse Bedeutung dieses Gremiums wohl weniger. Darum ist für viele vielleicht auch auf den ersten Blick nicht spannend, was dieses Gremium tut und warum Liechtenstein dort den Vorsitz hat. Umso wichtiger ist es, der Bevölkerung während unseres Vorsitzes die Institution Europarat und seine Bedeutung näherzubringen und sichtbar zu machen, was für Vorteile und Möglichkeiten der Europarat der Bevölkerung Liechtensteins bringt. Hierfür sind bereits viele interessante Veranstaltungen für alle Teile der Bevölkerung geplant. Auch kommt dem Vorsitz im Europarat durch die Behandlung im Hohen Landtag durch dieses Sondertraktandum eine Bedeutung zu.
1949 war der Europarat weniger selbstverständlich als heute. Damals waren die Menschen nicht verwöhnt von Demokratie und friedlichen Zuständen, weil im Abstand von ein paar wenigen Jahrzehnten immer wieder Kriege – und gerade in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zwei Weltkriege – herrschten. Der Krieg gehörte damals leider quasi noch zum «Alltag», was sich unsere Generation lange Zeit gar nicht mehr vorstellen konnte. Wir konnten in den letzten Jahrzehnten einen wirtschaftlichen Aufschwung und friedliche Zeiten in Europa erleben. Leider zeigen die neusten geopolitischen Herausforderungen, dass auch in Europa Werte von Demokratie, Menschenrechten und Völkerverständigung keine Selbstverständlichkeit mehr darstellen. Denn gerade der Krieg in der Ukraine – und die Vorgänge in Israel und im Gazastreifen – führen uns mit aller Brutalität vor Augen, wie labil und wenig selbstverständlich eben der Friedenszustand ist, um den man sich unter anderem in Institutionen wie dem Europarat bemüht.
1978 war der Beitritt im Europarat ein Meilenstein in der Sicherung der Souveränität unseres Landes. Damit war unser Land in der europäischen Familie demokratischer Staaten angekommen. Obwohl man bereits der OSZE angehörte, war der Beitritt zum Europarat ein wichtiger aussenpolitischer Schritt. Durch den Beitritt im Europarat hat Liechtenstein auch die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) unterzeichnet, die 1982 ratifiziert wurde. Somit anerkennt unser Land auch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, was Personen aus Liechtenstein erlaubt, sich an den europäischen Gerichtshof zu wenden, falls sie sich in ihren Grundrechten verletzt sehen.
Internationale Organisationen spielen eine wichtige Rolle in der Politik und vor allem in der Tatsache, dass wir eben in den vergangenen Jahrzehnten von Kriegen verschont geblieben sind. Dabei gibt es neben der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, bei der wir Gründungsmitglied waren, seit 1949 eben den Europarat. Dieser ist älter als die OSZE. Der Europarat, hat sich zum Ziel gesetzt, die Menschenrechte und die Völkerverständigung zu schützen und somit als Garant für Frieden zu fungieren. Bis zum Ausschluss Russlands waren 47 Staaten mit 870 Millionen Einwohnern Mitglied dieser Organisation, der Liechtenstein 1978 beigetreten ist. Der Beitritt in den Europarat ebnete auch den Weg in die UNO (1990) und den EWR (1995).
Nach 1987 und 2001 wird uns die Ehre zuteil, dass unser Land den Vorsitz im Ministerkomitee innehat. Für einen Kleinstaat wie Liechtenstein ist das auf der Aufwandseite eine grosse Herausforderung. Der Vorsitz fällt zudem auch inhaltlich in eine anspruchsvolle Zeit, in der langjährige Konflikte wie Russland-Ukraine, Israel und seine Nachbarn wieder aufflammen. Während einzelne Wissenschaftler davon ausgingen, dass mit dem Fall der Mauer und dem Zusammenbruch der Sowjetunion das Ende der Geschichte eingeläutet wurde, wird heute wieder von einer Zeitenwende gesprochen. Undemokratische Staaten und Kulturen versuchen sich wieder in Angriffen auf die Menschenrechte, die internationale Rechtsstaatlichkeit und die Demokratie. Dies genau sind aber genau die Werte, für die der Europarat verkörpert und seit jeher fördert. Zudem sind dies auch die aussenpolitischen Agenden die Liechtenstein seit vielen Jahren konsequent verfolgt.
Bei allen Herausforderungen, die für unser Land durch diese turbulenten Zeiten erwachsen, bieten sich auch Chancen: Liechtenstein hat als Kleinstaat, der keine Militärmacht besitzt, eine Gelegenheit dem System wieder mehr Glaubwürdigkeit zu geben, indem man sich als guter Vermittler zeigt, für seine Werte einsteht und dabei hilft, Konflikte im Rahmen der Menschenrechte zu moderieren.
Ich wünsche stellvertretend im Namen der VU-Fraktion aber auch im Namen unserer Partei allen Beteiligten im Aussenministerium, allen voran Dominique Hasler, aber auch allen bei diesem Vorsitz engagierten Personen aus unserem diplomatischen Corps eine glückliche Hand und alles Gute.