«Nicht nur Zwangs- und Verbotsmassnahmen sondern auch verkehrspolitische Planwirtschaft»
«Das Gegenteil von gut, ist gut gemeint.» Das war für uns bereits der erste Gedanke, wenn man den fett geschriebenen Motionstext liest. «Die Regierung wird aufgefordert, Massnahmen zu ergreifen, um bis im Jahr 2030 einen Modalsplit von 50 MIV (Motorisierter Individualverkehr) zu 50 Umweltverbundverkehr (Bus, Bahn, Fahrrad, Fussverkehr zu erreichen.»
Man kann durchaus als Zielformulierung ein Verhältnis von 50:50 zwischen den Verkehrsträgern ausgeben. Allerdings bedeuteten Massnahmen, dies zu erreichen, nicht nur Zwangs- und Verbotsmassnahmen sondern auch verkehrspolitische Planwirtschaft. Dass Planwirtschaften meistens grosse Schattenseiten vorweisen, weiss man nicht erst seit dem Scheitern von diversen sozialistischen Staaten im vergangenen Jahrhundert.
Es ist durchaus spannend, dass man von Seiten der Freien Liste im Zusammenhang mit der Zentralen Vorratsdatenspeicherung zur Verbrechensbekämpfung bzw. -aufklärung ein klares Veto hat, beim Thema Verkehr aber offensichtlich auf den Überwachungsstaat setzen möchte. Denn nichts anderes würde es bedeuten, wenn man dieses Ziel, das die Freie Liste ausgibt, mithilfe von «Massnahmen» einen Modalsplit 50:50 erreichen will.
Dass die Freie Liste das Thema SMART, das bekanntlich aus der Wirtschaft stammt, bemüht, ist clever. Denn SMART steht für spezifisch, messbar, attraktiv, realistisch und terminiert. Wir beleuchten somit nun die gesetzten Ziele der Freien Liste nach diesen Kriterien:
Spezifisch: Ja, spezifisch ist das Ziel durchaus. Es will die Leute dazu bringen, das Auto stehen zu lassen und stattdessen in andere Verkehrsmittel umzusteigen.
Messbar: Das mit der Messbarkeit ist so eine Sache. Denn eine Messung bedingt Überwachung. Je genauer man sein will, desto stärker wird überwacht. Hier entstehen die ersten Fragezeichen.
Attraktiv: Das mit der Attraktivität ist auch so eine Sache. Die Attraktivität der einen Massnahme bedeutet nicht zwangsläufig, dass die Attraktivität einer anderen Massnahme abnimmt. Damit bedeutet der Modalsplit in Liechtenstein, dass der Autoverkehr offensichtlich attraktiv ist. Wechseln mehr Menschen auf den öV oder den Langsamverkehr bleibt das Ganze attraktiv für Autofahrer aus dem MIV. Es wird sogar noch einfacher.
Realistisch: Dieser Realismus hängt davon ab, wie stark man bereit ist, seine Freiheit in der Mobilität zu opfern. Der Modalsplit wird sich künftig sicher verbessern. Wenn man das Ganze mit Zwangsmassnahmen beschleunigen möchte, kann man das sicher tun. Die Frage stellt sich, inwieweit die Bevölkerung dafür zu haben ist, für die bereits verpflichtende Photovoltaik auf dem Dach – trotz vieler Ausnahmen – eine zu starke Einschränkung ihres täglichen Lebens darstellt.
Terminiert: Der Termin 2030 steht. Allerdings stellen sich im Zusammenhang mit dem Realismus dieser Vorgaben diverse Folgefragen. Die Freie Liste bemüht das Beispiel aus Vorarlberg, wo innerhalb von ungefähr 15 Jahren der MIV-Anteil um 3 Prozent reduziert wurde. Wer einen Dreisatz aufstellen möchte, kann dabei sehr gut ausrechnen, wie drastisch die Massnahmen sein müssten, um den Anteil des MIV gegenüber dem öV und Langsamverkehr innerhalb von sechs Jahren um 25 Prozent zu reduzieren.
Kurzum: Wenn man ein Befürworter von starkem Staat und harten Einschnitten in das individuelle Verhalten der Menschen ist, dann ist diese Motion sicher das Richtige. Die VU denkt aber, dass diese Forderungen zu unrealistisch sind, um sie gemeinsam mit der Bevölkerung umsetzen zu können.
Eine Nebenbemerkung hinsichtlich der Verkehrspolitik sei an dieser Stelle noch erlaubt: mit dem Mobilitätskonzept 2030 hat die Regierung, wie die Motionäre schreiben, eine griffige Grundlage. Man hatte sich seinerzeit auch darauf geeinigt, dass es regelmässige, jährliche Monitoringberichte gibt. Da ist es dann angezeigt, allfällige Priorisierungen und Massnahmen festzulegen. Dort wären diese Anliegen am richtigen Ort. Wenn man nun wieder hingeht und nach Belieben monatlich neue Forderungen ins Mobilitätskonzept hineinreklamieren will, dann hat man den Prozess nicht verinnerlicht.
Besten Dank.