Den Protagonisten dieser Zeit ist zu danken
Durchlaucht,
Sehr geehrte Ständeratspräsidentin,
werte Gäste,
geschätzte Mitglieder der Regierung,
werte Kolleginnen und Kollegen.
Die Zeit nach dem Ersten Weltkrieg stand in Liechtenstein im Zeichen der Umorientierung. Nach der Niederlage der Mittelmächte war Österreich, mit dem unser Land einen Zollvertrag unterhielt, wirtschaftlich am Boden. Zudem sorgte die Vorgängerpartei der Vaterländischen Union, die Christlichsoziale Volkspartei rund um Wilhelm Beck, in Verhandlungen mit dem Fürstenhaus dafür, dass die Verfassung demokratisiert wurde. Bei den Landtagswahlen 1922 errang die Volkspartei eine Zweidrittelmehrheit im Landtag. Als Landtagspräsident war Wilhelm Beck massgeblich an der Ausarbeitung wichtiger Gesetze beteiligt. So wurden in dieser Zeit das Gerichtsorganisationsgesetz, das Volksrechtegesetz und das Landesverwaltungspflegegesetz verabschiedet. Es war sowohl in der Innen- als auch in der Aussenpolitik Liechtensteins sehr viel Bewegung.
Eine weitere Persönlichkeit, die wir in diesem Zusammenhang nicht vergessen dürfen, ist Emil Beck. Der schweizerisch-liechtensteinische Doppelbürger war Geschäftsträger der liechtensteinischen Gesandtschaft in Bern und prägte die Verhandlungen zwischen Liechtenstein und der Schweiz massgeblich mit. Schon 1920 unterzeichnete er gemeinsam mit Bundesrat Giuseppe Motta den Postvertrag. Knapp drei Jahre später waren es dieselben Hauptakteure, welche den Zollanschlussvertrag unterzeichneten.
Der Zollanschlussvertrag von 1923 war ein wichtiges politisches Ziel der Volkspartei. So drängte die Gruppe mit Wilhelm Beck auf die Kündigung des so genannten Zollvereins mit Österreich, der seit 1852 bestand. Dies mit dem Gedanken, sich zur Schweiz hinzuwenden. Die Entwertung der österreichischen Währung war für die Bevölkerung einschneidend und Armut griff um sich. Der Zollanschluss an die Schweiz 1923 und die Einführung des Schweizer Frankens 1924 waren neben der neuen Verfassung von 1921 wichtige Voraussetzungen für die positive wirtschaftliche Entwicklung Liechtensteins. Dies ist Teil der Erfolgsgeschichte Liechtensteins. Das ist sicherlich wesentlich auch der Weitsicht der Wegbereiter von vor 100 Jahren zu verdanken.
Sicher erscheint, dass es für Liechtenstein ohne einen Zollvertrag mit der Schweiz schwieriger geworden wäre. Vielleicht ist es müssig darüber nachzudenken, was passiert wäre, wenn Liechtenstein in den 1920er Jahren nicht schon eine gefestigte Orientierung an die neutrale Schweiz gehabt hätte. Was heute als Selbstverständlichkeit erscheint, war es damals mit Nichten. So ist den Protagonisten dieser Zeit zu danken, dass ihre weitsichtigen Entscheidungen unserem Land Stabilität brachten und somit mithalfen, der Liechtensteiner Bevölkerung eine bessere Zukunft zu ermöglichen.
Der Weg zum Zollanschlussvertrag aber war ein holpriger, wie es die Historiker – allen voran Rupert Quaderer – in ihren Werken gut darlegen. Auf beiden Seiten gab es Widerstände. Es gab Zweifel und viele offene Fragen. Der dieses Jahr erschienene Film «Geschichte und Geschichten zum Zollanschlussvertrag Schweiz-Liechtenstein» beschreibt diese Hürden sehr eindrücklich.
All die Dokumente, die uns vorliegen, zeigen vor allem eines: Dass sich Beharrlichkeit und gegenseitiges Bemühen auszahlt, wenn man sich gemeinsam um eine Lösung bemüht. Davon profitieren heute alle in unserer Region: Sowohl die Liechtensteiner als auch die Schweizer – vor allem in Grenznähe.
Wie wertvoll der Zollanschlussvertrag ist, hat sich bspw. während der Coronapandemie gezeigt, während welcher man immer ungehindert die Grenze zur Schweiz passieren konnte, während die Grenzen zu Österreich zeitweilig gesperrt waren.
An dieser Stelle ist aber auch den vielen Grenzgängern zu danken, welche einen grossen und wichtigen Beitrag an den Erfolg der liechtensteinischen Wirtschaft beitragen. Gerade im Bildungsbereich, wo viele Liechtensteinerinnen und Liechtensteiner ihren Berufsweg in einem Berufsschulzentrum oder an einer Hochschule in der Schweiz starten, ist dies für uns von enormer Bedeutung. Oder denken wir an den Verkehr, wo die schweizerische Autobahn A13 seit Jahren ein Rückgrat für die liechtensteinische Mobilität darstellt. Auch bei der Schaffung von neuen Rechtsnormen, hier in diesem Hohen Haus, lehnen wir uns regelmässig an die Schweiz als Vorbild und Inspiration an. Dann der Sport, wo sich unsere Vereine partnerschaftlich in den Schweizer Ligen mit Gleichgesinnten messen können. Und apropos Sport: auch der FC Landtag Liechtenstein darf sich jährlich am Eidgenössischen Parlamentarierfussballturnier mit Schweizer Kantonsräten mit mehr oder weniger Erfolg messen. :-)
So gäbe es noch viele weitere Bereiche, welche an dieser Stelle positiv zu erwähnen wären, aber dafür reicht der vorgegebene Zeitrahmen heute nicht.
Und auch wenn bei einer kritischen Würdigung des Zollanschlussvertrages der eine oder andere Bereich übrig bleibt, der nicht restlos geklärt ist oder geklärt werden kann, die positiven Aspekte überwiegen sehr deutlich. Es ist doch überall so, dass man Optimierungspotenzial findet, wenn man die Augen nicht verschliesst. Das soll an dieser Stelle aber nur der Vollständigkeit halber erwähnt sein. Denn diese Feierstunde sollte dazu dienen, den Errungenschaften und dem Erfolg des Vertrags zu gedenken. Wenn wir schauen, wie unser Land vor 100 Jahren aufgestellt war und wie es sich heute präsentiert, sollten eigentlich keine Fragen offenbleiben. Es ist sicher nicht alleine der Zollanschlussvertrag, der uns zum heutigen Wohlstand führte – aber er kann zu Recht als wichtiges Fundament und die Zeit um 1923 als wegweisend angesehen werden, in deren Folge sich Liechtenstein in eine so erfreuliche Richtung entwickelte.
Besten Dank.