VU-Vorsteher: Bürgernähe trotz Distanz
Die Gemeindevorsteher erleben die Pandemiebekämpfung in derselben Position, aber aus verschiedenen Blickwinkeln. Alle Wirtschaftsbereiche sind von den Schutzmassnahmen betroffen und die Vorsteher mit unterschiedlichen Aspekten der Krise konfrontiert. Nachdem die Krise jeden Einzelnen ohne Vorbereitung getroffen hat, musste zuerst der Büroalltag in der Gemeinde organisiert werden. «Risikogruppen blieben zu Hause, Heimarbeit wurde ermöglicht, Desinfektionsmittel bereit gestellt, Abstände markiert, Plexiglaswände installiert und so weiter», führt Daniel Hilti aus.
Dass die Einschränkungen durch die getroffenen Massnahmen auch an den Vorstehern nicht spurlos vorbeigehen, versteht sich von selbst. «Vor allem kommt die persönliche Komponente trotz Videotelefonie und anderen technischen Hilfsmitteln für mich einfach zu kurz. Aus diesem Grund freue ich mich auf jeden einzelnen Schritt, der uns wieder mehr Normalität in unseren Alltag bringt», zeigt sich Triesens Vorsteherin, Daniela Wellenzohn-Erne, optimistisch.
Lebendiger Dialog
Auch die Bevölkerung muss sich jetzt im Umgang mit den Gemeindeangestellten ans Abstandhalten gewöhnen. Das ist nicht selbstverständlich, wird doch gerade in den Gemeinden bewusst auf Bürgernähe gesetzt. Diese gibt es auch auf Distanz: «Nachdem mein Tisch im Büro über 2 Meter lang ist, war das Abstandhalten nie ein Problem», schmunzelt Daniel Hilti und stellt den Schaanern ein hohes Pflichbewusstsein aus. «Die Einwohner haben sich auch an alle Vorgaben gehalten, was sie im Übrigen auch jetzt noch tun.»
Christoph Beck spricht in Sachen Bürgernähe vor allem auch die nichtmonetäre Komponente an, die er als besonders wichtig erachtet. «Die Finanzhilfen sind nur ein Aspekt. Das Verständnis für die Situation und das Zuhören ist ein anderer. Wir haben uns sehr viel Zeit genommen, bei den Unternehmen und Bürgern aktiv Rückmeldungen einzuholen und auch die Sorgen der Menschen aufzunehmen, damit wir zielgerichtet reagieren können», erklärt der Vorsteher aus Triesenberg.
Gute Zusammenarbeit
Die VU-Vorsteher bestätigen, dass die Massnahmen von der Bevölkerung breit mitgetragen und unterstützt werden. In allen Bereichen wurde seitens des Landes versucht, schnell und einfach Hilfs- und Unterstützungsmassnahmen anzubieten. Dies gilt nicht nur für die Förderung der Wirtschaft, sondern vor allem bezüglich Kinderbetreuung. «Alle Entscheidungen waren nachvollziehbar, durchdacht, klar kommuniziert und begründet», erklärt Daniela Wellenzohn-Erne. Doch auch hier gilt: Nachher ist man immer schlauer: «Im Nachhinein könnten die Massnahmen allenfalls als etwas zu weit gehend angesehen werden, da uns die Krise nicht so heftig getroffen hat, wie andere Länder», erklärt Rainer Beck aus Planken, der die Massnahmen zum Zeitpunkt, als sie getroffen wurden, als «gut und richtig» bezeichnet.
Die gute Zusammenarbeit zwischen Land und Gemeinden streicht auch der Plankner Vorsteher heraus, auch wenn seine Gemeinde nicht so sehr von den Massnahmen selbst betroffen war, weil es wenig publikumswirksame Betriebe in der kleinsten Gemeinde gibt. «Aus meiner Sicht war es gut, dass auch die Gemeinden geschlossen beim finanziellen Massnahmenpaket der Regierung mitgemacht haben und sich so verstärkt eingebracht haben.»
Die Gemeinde kümmert sich
Breites Verständnis erhielten auch die Schulschliessungen. Rückmeldungen aus der Bevölkerung sprechen von einer intensiven Zeit für die Eltern, die im Homeschooling neue Qualitäten entfalten mussten. «Besonders die Lehrer haben hier einen super Job gemacht», erklärt Christoph Beck. «Sie haben sich viel einfallen lassen und mit ihrer Flexibilität überzeugt.» Die Öffnungen der Schulen werden hingegen von vielen weitaus kritischer gesehen. Auch «weil die Schutzmassnahmen in vielen Schulen, vor allem aber in der Oberstufe, ein einigermassen vernünftiges Unterrichten verunmöglichen. Dasselbe gilt auch für den Sport.», erklärt der gelernte Lehrer Daniel Hilti die Schwierigkeiten der Wiedereröffnung.
Die Gemeinden haben selbst auch reagiert und vor allem versucht, den älteren Mitbewohnern Ängste zu nehmen. «Wir haben beispielsweise mit allen über 70-Jährigen telefoniert, ihnen Hilfsangebote aufgezeigt und einfach die Gelegenheit geboten, mal mit jemandem sprechen zu können. Das ist sehr gut angenommen worden.» Das bestätigt auch Christoph Beck, der mit Gemeinderäten und Verwaltung alle Personen ab 65 Jahren persönlich kontaktierte.
Entscheidende Monate kommen
Besonders hart treffen die Massnahmen die Gastronomie, welche diese vorbildlich mitgetragen hat, wie Christoph Beck weiss. Die Gästezahlen können aufgrund der Schutzmassnahmen auch nach der Wiedereröffnung nicht so ausfallen, wie der Businessplan das vorsah. «Es wird sich im Herbst zeigen, wer genügend Substanz hat, um durchzukommen. Jedenfalls ist die Krise für viele Betriebe nicht mit dem Öffnen überstanden», weiss Daniel Hilti. Trotz der Sorgen und einer ungewissen Zukunft, was die Rückkehr zur Normalität angeht, beweisen die Gastronomen, dass sie entschlossen sind, ihre Betriebe – die meist auch ihr Lebenswerk sind – zu verteidigen.
Auch wenn das Gastronomie-Erlebnis momentan nicht dasselbe ist wie vorher, sind gerade sie darauf angewiesen, dass die Gäste diesen Umständen trotzen: Zugunsten der heimischen Gasthaus-Qualität. Doch nicht nur die Gastronomen trifft es hart. «Die Restaurants sind sehr betroffen, es geht aber eigentlich durch alle Branchen hindurch», erklärt Daniel Hilti. Besonders Klein- und Kleinstbetriebe, die entweder neu angefangen oder kürzlich investiert haben und keinen Kredit mehr bekommen, sind gefordert, weil sie auch zum Teil nicht von staatlichen Hilfen profitieren können. Deshalb hat die Gemeinde Schaan zusätzliche Hilfe geboten: «Wir haben ein Hilfspaket bewilligt, weil wir überdurchschnittlich viele neue Betriebe haben, die noch kein Jahr auf dem Markt sind. Sofern sie keine Unterstützung vom Staat erhalten, haben wir ihnen im selben Umfang geholfen, wie das Land es tun würde.»
Neben den Gastronomen ist gerade in Triesenberg auch der Tourismus überdurchschnittlich von den Massnahmen betroffen. «Tourismus und Gewerbe wurden enorm heruntergefahren», erklärt Christoph Beck, der sich aktiv um Rückmeldungen aus der Wirtschaft bemühte. «Hier besteht Handlungsbedarf und wir hoffen natürlich, dass sich viele Menschen im Land – die in diesem Sommer zu Hause bleiben – auch von den schönen Flecken in unserem Land überzeugen und beim Heimaturlaub dabei helfen können, die grosse Delle einigermassen auszubeulen, welche die Coronakrise hinterlassen hat.»
«Wir sind besser vorbereitet»
Jede Pandemie hat ihre eigenen Merkmale. «Musterlösungen gibt es keine», macht sich auch Rainer Beck nichts vor. Lerneffekte gibt es aber dennoch. Zum Beispiel, dass von Anfang an genügend Masken und Desinfektionsmittel vorhanden sein müssen. «Wir sind in den letzten Monaten mit der Digitalisierung wesentliche Schritte vorangekommen und haben den internen Pandemieplan aktualisiert», erklärt Daniela Wellenzohn-Erne. Auch hinsichtlich einer allfälligen «Zweiten Welle» sei man nun angesichts der Erfahrungen besser vorbereitet. «Was es aus meiner Sicht nicht mehr geben kann, ist, eine zweite Massenquarantäne. Das würde die Wirtschaft nicht verkraften. Auch die Einwohner würden das wohl nicht mehr mitmachen», weiss Daniel Hilti.
Die VU-Vorsteher stellen den handelnden Personen ein gutes Zeugnis aus: «Die Krisenstäbe haben von Beginn an einen hervorragenden Job gemacht. Da gibt es meiner Meinung nach nur wenig Optimierungspotenzial», bringt es der Schaaner Vorsteher Daniel Hilti auf den Punkt.