Pflegedebatte offenbart Stärken und Schwächen
Dass staatsnahe Unternehmen den Budgetprozess unterlaufen, ist eher unüblich. Dazu sahen sich aber die Pflegeinstitutionen gezwungen: Seit Oktober 2022 warten sie auf eine Antwort der Regierung, was die Erhöhung der Inkonvenienzzulagen (Feiertags- und Wochenenddienste) betrifft. Die Debatte förderte dann zutage, dass es das Ministerium nicht geschafft hat, der Gesamtregierung eine saubere Begründung für die Erhöhung zu liefern. Und das, obwohl es offensichtlich ein Wunsch der beauftraten Arbeitsgruppe war. «Herr Gesundheitsminister, die Arbeitsgruppe hat Ihrem Ministerium die entsprechenden Empfehlungen und Massnahmen bereits im Oktober 2022 vorgelegt! Hier wurden die Hausaufgaben nicht gemacht – und zwar von Ihrem Ministerium», brachte Dagmar Bühler-Nigsch von der VU die Problematik auf den Punkt. «Ganz ehrlich gesagt, ich finde das lausig. Für ein so wichtiges Thema wie die Pflegeinitiative dürfen wir sehr wohl einen ordentlichen Bericht und Antrag erwarten», so Bühler-Nigsch. Man darf sich durchaus fragen, wie man die Gesamtregierung überzeugen will, wenn man den Bericht der Arbeitsgruppe vom 5. Oktober 2022 (!) der Gesamtregierung erst Ende Oktober 2023, also kurz vor der Budgetdebatte, zur Kenntnis bringt.
In der Folge gab es verschiedene Fragen der Abgeordneten, welche der Gesellschaftsminister nicht oder nur zögerlich beantwortete. Dieses Vorgehen brachte grosses Misstrauen. Die FBP-Abgeordneten versuchten indes zu suggerieren, dass sich die Regierungsmehrheit generell gegen eine Erhöhung aussprach. Dem widersprach der Regierungschef: «Wir alle wollen die Pflege stärken», stellte er klar. Die Regierung sei aber der Zweckmässigkeit, der Verhältnismässigkeit und der Wirtschaftlichkeit verpflichtet. Ergo: Wenn die Regierung nicht weiss, was das Ziel einer Erhöhung ist, kann die Regierung nicht einfach einer Erhöhung zustimmen. Wenn man den Budgetprozess einfach umgeht, öffnet das Tür und Tor für alle. Vor dieser Präjudizwirkung warnten ebenfalls diverse Abgeordnete.
Königsweg erhält Mehrheit
Es sei verständlich, dass man ein Zeichen setzen will, so Regierungschef Daniel Risch. So ermunterte er den Landtag auch dazu, stellte aber klar, dass über die Mittelverwendung die Regierung entscheide. Deshalb forderte die VU-Fraktion einen entsprechenden Bericht der Regierung zur Verwendung der gesprochenen Gelder. Ausser fünf Abgeordneten der FBP wollten dann auch alle noch eine Rechenschaft darüber, was denn mit den Geldern genau geschehe.
Das Beispiel bot einen Vorgeschmack auf das System, wie es laufen könnte, wenn die Direktwahl der Regierung tatsächlich erfolgreich eingeführt wird: Dann wird man solche Szenen öfter sehen, dass Regierungsmitglieder ihre eigenen Spielchen spielen, wenn sie in der Gesamtregierung scheitern. Der Landtag zeigte aber in dieser Session, dass das Prinzip von Checks and Balances im aktuellen System sehr gut funktioniert. Was die Medien oft als Parteipolitik negativ konnotieren wollen, ist eben die Aufgabe: Gegenseitige Kontrolle. Und die funktioniert offensichtlich.