NEIN zum DpL-Vorschlag der Direktwahl der Regierung
Obwohl die Unterschriftensammlung und eine eventuelle Volksabstimmung noch bevorstehen, erachtet es das Präsidium der VU als wichtig, bereits vor der Unterschriftensammlung auf die Gefahren dieses massiven Eingriffs in das bewährte liechtensteinische politische System hinzuweisen.
Das Präsidium der VU lehnt die angekündigte Volksinitiative der DpL zur Direktwahl der Regierung einstimmig und mit aller Deutlichkeit ab, weil Anspruch und tatsächliche Wirkung diametral auseinanderliegen, und zwar aus folgenden Gründen:
1. DpL-Behauptung: Die Stellung des Fürsten wird durch die vorgesehene Direktwahl der Regierungsmitglieder nicht geschwächt
Fakt: Die Stellung des Fürsten bzw. Erbprinzen wird deutlich geschwächt!
Dadurch, dass heute die Regierung vom Landtag – der Volksvertretung – vorgeschlagen und vom Landesfürsten ernannt wird, wirken die beiden Souveräne zusammen und die Regierung ist beiden verantwortlich. Der Landesfürst bzw. sein Stellvertreter können heute die Regierung bzw. einzelne Mitglieder absetzen. Dies soll zwar auch nach der geplanten Anpassung zur Direktwahl der Regierung so bleiben. Wenn die Regierungsmitglieder aber direkt vom Volk gewählt sind, wird eine solche Absetzung faktisch unmöglich oder zumindest viel schwieriger, weil der Fürst sich damit faktisch dem Volkswillen widersetzt. Zudem: Ein von beiden Wahlkreisen gewählter Regierungschef wird gleichsam zu einem gewählten «Fürsten», seine Position wird gegenüber dem Parlament und dem Fürstenhaus massiv gestärkt. Er ist der einzige vom ganzen Volk gewählte Politiker und damit praktisch unangreifbar.
2. DpL-Behauptung: Der Landtag wird nicht geschwächt
Fakt: Der Landtag wird geschwächt!
Mit einer Volkswahl der Regierung wird der Landtag praktisch ausgeschaltet und zum «Durchwink-Gremium»: Eine vom Volk direkt legitimierte Regierung wird kaum auf Widerspruch des Landtags treffen. Wenn es hart auf hart kommt, zieht der Landtag den Kürzeren, weil die Machtstellung der Regierung enorm ausgebaut wird.
3. DpL-Behauptung: Mehr Chancen – jeder kann kandidieren
Fakt: Gefahr von Querschlägern in Regierungsfunktionen wird grösser.
Heute definieren die Parteien mit ihren demokratischen Prozessen, wer für ein solches Amt geeignet ist und wer weniger. Es entscheiden nicht die «Parteioberen», sondern grosse Parteigremien (Ortsgruppen, Präsidium, Parteitag) über die Kandidaten. Damit übernehmen Parteien eine wichtige Funktion der Vorauswahl, natürlich auch ohne «Garantie» der Vermeidung von Fehlgriffen. Aber wenn ein «wilder Kandidat» für ein Regierungsamt kandidiert, steigt das Risiko, dass ungeeignete Kandidaturen, sogar vielleicht Spasskandidaturen, vorkommen. Heute wird das System von den Parteien und deren Vorauswahl stabilisiert. Trotz einzelner Problemfälle in jüngerer Vergangenheit, zeigen die letzten 100 Jahre insgesamt die Zuverlässigkeit des Systems.
4. DpL-Behauptung: Das Volk statt den «Parteioberen» bestimmt neu die Regierung
Fakt: Amerikanisierung der Wahlkämpfe und Personenkult nehmen zu
Heute müssen sich Regierungsmitglieder bei ihrer Kandidatur dem Auswahlprozess ihrer Partei stellen, und sie hängen schliesslich von der Akzeptanz der gewählten Volksvertreter ab. Das dämpft zu grosse Ambitionen und verhindert zu sehr auf Personen zugespitzte Wahlkämpfe – Liechtenstein braucht keinen Personenkult. Ein vom ganzen Volk gewählter Regierungschef bedeutet faktisch der Wechsel zu einem Präsidialsystem wie in Amerika oder Frankreich. Wollen wir Liechtensteiner das?
Und übrigens: die in der Schweiz vom Volk gewählten kantonalen Regierungen kennen keinen gewählten «Chef». Der Vorsitz in der Regierung - wie auch im Bundesrat - wechselt in der Regel jährlich, niemand ist gewählter Regierungschef einer Kantonsregierung. Personenkult wird damit verhindert. Der DpL-Vorschlag ignoriert dieses wichtige Detail des Schweizer Systems in den Kantonen.
5. DpL-Behauptung: Der Systemwechsel ändert nichts an der Stabilität
Fakt: Experimente bringen Unsicherheit statt Stabilität
Seit 100 Jahren kennt Liechtenstein ein gut austariertes Spiel der Kräfte. Unsere Verfassung garantierte uns bislang Stabilität und Wohlstand. Ein solch massiver Eingriff in ein gut funktionierendes System setzt letztendlich die Stabilität, den Erfolg und den Wohlstand des ganzen Landes aufs Spiel. Die VU lehnt solche Experimente ab.
6. DpL-Behauptung: Der Systemwechsel stärkt das Wohl des Landes und schwächt die Interessen der «Grossparteien»
Fakt: Auch die DpL sind eine Partei, mit «Parteioberen». Auch die DpL haben Parteiinteressen.
Geht es am Ende darum den Einzug der DpL in die Regierung zu erleichtern? Zugegeben: In jedem demokratischen Land ist für kleinere Parteien der Einzug in die Regierung ein legitimes Ziel, aber nicht einfach zu erreichen. Durch das System der Bildung von Koalitionen müssen sich Parteien zusammenfinden und tragfähige Kompromisse für Mehrheiten suchen. Dadurch werden Extrempositionen abgefedert und stabile Mehrheitsverhältnisse geschaffen. Die Direktwahl der Regierungsmitglieder umgeht diesen Prozess und bringt singuläre, vielleicht auch extreme Positionen in die Regierung, was die Stabilität des Landes gefährden kann. Die VU hält den Preis für diese Risiken als zu hoch.
Fazit: Das Präsidium der VU lehnt den Vorschlag der DpL zur Direktwahl der Regierung klar ab und empfiehlt, die Initiative nicht zu unterschreiben.
Für das Parteipräsidium:
Präsident Thomas Zwiefelhofer