Jede Krise verlangt nach einer seriösen Aufarbeitung
Peter, die Corona-Krise neigt sich allem Anschein nach dem Ende zu. Kann man diese globale Krise auch mit individuellen Krisen vergleichen?
Peter Frick: Durchaus. In dem Moment, in dem wir eine individuelle Situation erleben, die von der Norm abweicht, kann dies eine Krise auslösen. Eine Krise zeichnet sich in meiner Arbeit – zum Beispiel beim Kriseninterventionsteam oder beim Bevölkerungschutz – dadurch aus, dass die Sicherheit plötzlich oder eben schleichend nicht mehr gewährleistet ist. Es wird dann alles in Bewegung gesetzt, um die gewohnte Sicherheit so weit wie möglich wieder herzustellen. Vielfach muss fürs erste Stabilität hergestellt werden. Eine Krise ist eben in den meisten Fällen nicht eine Sache von wenigen Stunden, sondern langfristig präsent. Daher kann die aktuelle gesellschaftliche Krise mit individuellen Krisen verglichen werden. Im Nachgang wird jeder Einsatz, egal in welchem Bereich, einer Manöverkritik unterzogen. Dies hat zwingend im Nachgang zu erfolgen. Die
Geschehnisse, sprich: jede Handlung, werden nochmals durchgegangen. Hier geht es darum, herauszufinden, ob das menschenmögliche getan wurde, ob niemand vergessen wurde oder gewisse Dinge allenfalls untergegangen sind. Wie geht es den Betroffenen? Wie geht es einem selbst? Es wäre dilettantisch, wenn dies nicht erfolgt.
Wo stehen wir diesbezüglich deiner Meinung nach in der Corona-Krise?
Da die Krise noch nicht ganz vorbei ist, ist die Aufarbeitung logischerweise auch noch nicht erfolgt. In diesem Fall scheint mir jetzt besonders die saubere, gemeinsame Aufarbeitung als sehr wichtig. Zum einen, damit man einerseits womöglich begangene Fehler nicht wiederholt und andererseits ein gemeinsames Verständnis davon bekommen kann, was in den letzten beiden Jahren alles passiert ist. Die Regierung hat schon Aufträge vergeben, um die Geschehnisse zu dokumentieren. So kam zum Beispiel das Liechtenstein-Institut bereits in einer Zwischenanalyse zur Erkenntnis, dass der Landtag in seinen Rechten nicht beschnitten wurde, sondern immer handlungsfähig blieb.
Die Demokraten pro Liechtenstein fordern in ihrer Motion ein grösseres Mitspracherecht des Landtags bezüglich der Massnahmen. Was hältst du davon?
Einerseits kann ich die Forderung nachvollziehen. Andererseits läuft das dem Aufbau und der Praxis des Epidemiengesetzes zuwider, dem wir ja durch den Zollvertrag mit der Schweiz angeschlossen sind. Die Begründung geht für mich ins Leere, weil in der Motion davon die Rede ist, dass «das Parlament ausgeschaltet wird» und die «Exekutive eine weitgehend uneingeschränkte Entscheidungsmacht auf sich» vereine. Das ist eine sehr aggressive Sprache und auch die Inhalte sind sachlich in meinen Augen falsch. Das zeigt, dass eben die Aufarbeitung zuerst passieren muss, bevor man Handlungen setzt. Die Motion versucht, den zweiten Schritt vor dem ersten zu machen. Das ist verkehrt.
Was sind aus deiner Sicht die Fehler in der Betrachtung?
Es geht den DpL sicher um eine gewisse Mobilisierung und auch um Empörung. Ich empfand als Abgeordneter die Informationen der Regierung immer recht gut. Wir wurden von den Massnahmen nicht überrumpelt und es wurden immer mögliche Zukunftsszenarien offen im Landtag diskutiert. Nur weil aus dem Landtag heraus keine Vorstösse gegen die Massnahmen erfolgten – und das hätte man durchaus machen können – heisst das nicht, dass der Landtag untätig war. Er hat nur den Kurs der Regierung und des Bundesrates gestützt. Dass das für einige nicht stimmig ist, ist auch klar. Aber wir leben in einer Demokratie und da ist massgebend, was eine Mehrheit entscheidet. Und wenn sich die Mehrheit im Landtag dafür ausspricht, nichts gegen die Massnahmen zu unternehmen, dann ist das zum einen legitim und zeigt zum anderen auch auf, dass der Landtag dahinter steht. In der Motion selbst sind dann auch Formulierungen, mit denen ich nichts anfangen kann. Zum Beispiel wird eine Anhörung des Landtags im Vorfeld gefordert. Was heisst das? Muss dann wöchentlich der Landtag zusammentreten und diskutieren, was als nächstes passieren soll? Ich bin gespannt, ob die Motionäre solche Unklarheiten ausräumen können. Zudem verwechseln die Motionäre die Ebenen: In der Schweiz schickt man die Massnahmen bei den Kantonen in die Vernehmlassung, nicht ins Parlament. Also müsste die Regierung in diesem Fall bei uns die Gemeinden anhören und nicht den Landtag. Eine Anhörung der Gemeinden macht aber sicher in einer Pandemie keinen Sinn, und unser Parlament wurde ja tatsächlich angehört.
Was muss deiner Meinung nach als nächstes passieren?
Die Regierung hat wiederholt ausgeführt, dass die die Pandemiebewältigung vom Liechtenstein-Institut analysiert werden soll und dazu ein Bericht erscheinen wird. In der Folge müssen wir diesen Bericht kritisch anschauen und analysieren, was gut gelaufen ist und was weniger. Das hat auch unsere Landtagsvizepräsidentin Gunilla Marxer-Kranz in vielen Voten der letzten Jahre immer gefordert. Unser Parteipräsident Thomas Zwiefelhofer hat dafür in der «Liewo» vom vergangenen Sonntag eine Besondere Landtagskommission beliebt gemacht, um dieses Thema überparteilich zu behandeln. Dem kann ich viel abgewinnen. Und nach dieser Aufarbeitung können wir dann Handlungsempfehlungen für weitere Krisen dieser Art ableiten. Das wäre für mich eine seriöse Herangehensweise. Alles andere, so auch die DPL Motion, sind für mich Schnellschüsse, bei denen die Gefahr, am Ziel vorbeizuzielen, relativ hoch sind. (mw)