Zum Wohl der Versicherten handeln
von Generalsekretär Michael Winkler
Kaum ein Thema beschäftigt die Bevölkerung mehr als die Gesundheitskosten. Im «LIE-Barometer» des Liechtenstein-Instituts hat dieses Thema Jahr für Jahr einen Spitzenplatz. Spätestens nach der Ankündigung, dass die Prämien für das Jahr 2023 wieder steigen, nehmen die Diskussionen wieder zu. Auch wenn die Prämien für die meisten nicht so stark steigen wie in der Schweiz.
Ein paar Jahre nach der KVG-Reform, die im Kern einfach höhere Selbstbehalte der Patienten zur Folge hatte, konnten die Prämien stabilisiert werden. Diese Zeit ist vorbei. So müssen die Versicherten in Liechtenstein - je nach Versicherung - durchschnittlich zwischen 10 und 26 Franken mehr pro Monat für ihre Pflichtversicherung bezahlen. Angesichts steigender Energiepreise sorgen sich nun viele Menschen im Land. Und das ist verständlich.
Viele Versprechen - wenig Taten
Das Gesellschaftsministerium scheint diese Fakten einfach so hinzunehmen. Die Versicherer bauen dem Vernehmen nach - die Zahlen sind nicht transparent - ihre Reserven ab und der Krankenkassenverband macht wenigstens Vorschläge, wie die Kosten gemindert werden könnten. Einige von ihnen scheinen vernünftig und müssen dringend weiterverfolgt werden. Im Wesentlichen sind diese Massnahmen aber ein Abklatsch derer, die auch in der Schweiz gewälzt werden - und vorwärts geht nichts.
Dieser Stillstand führt dann dazu, dass populistische Ideen wieder Aufwind bekommen. Es dürfte nur eine Frage der Zeit sein, bis die Freie Liste wieder einkommensabhängige Krankenkassenprämien fordern wird. Und vielleicht kommt die eine oder andere Partei noch auf die Idee, ihre jeweiligen Anspruchsgruppen von gewissen Prämien und Selbstbehalten zu befreien. Doch an Unvernunft mangelt es auch beim Krankenkassenverband nicht. Ein Vorschlag lautet, dass Patienten ihre Rechnungen selbst bezahlen und den Anspruch an die Krankenkassen geltend machen sollen. Dabei vemutet der Krankenkassenverband, dass man somit die Patienten zu mehr Kostenbewusstsein bringen könnte. In Wahrheit stürzt man so aber gerade jene, die einmal zum Arzt müssen aber keine grossen Reserven haben, in finanzielle Nöte. Zudem wäre mehr Bürokratie für die Patientinnen und Patienten garantiert. So stellt der LKV die Patienten und Prämienzahler, deren Anwalt er eigentlich sein sollte, unter den Generalverdacht, wegen jedem Wehwehchen zum Arzt zu gehen. Müsste nicht gerade der LKV nicht die Seite der Leistungserbringer eher in die Pflicht nehmen? Stattdessen sucht man die Schuld bei jenen, die das System mit ihrem Geld am Laufen halten. Dass das zu kurzsichtig ist, hat die KVG-Revision mittelfristig nun gezeigt.
Zeit zu handeln
«Minister Pedrazzini zaudert, Patienten und Prämienzahler zahlen die Zeche», titelte der VU-Landtagsabgeordnete Mario Wohlwend vor genau zwei Jahren an dieser Stelle. Er machte zahlreiche Hinweise, wo Optimierungspotenzial zu finden wäre. Heute müsste es also heissen: «Minister Frick zaudert, Patienten und Prämienzahler zahlen die Zeche.»
Darum ist es höchste Zeit, nachhaltige Reformen in Gang zu setzen. Wo sind denn die Vorschläge, welche der Vorgänger des aktuellen Ministers versprochen hat? Wo sind die Gemeindekrankenschwestern? In einer mehrteiligen Reihe wurden vor einigen Jahren alle Stakeholder des Gesundheitswesens gebeten, ihre Vorschläge für Verbesserungen einzureichen. Und ja, selbst die Leistungserbringer hatten Ideen, welche die Versicherten entlastet hätten. Diese Vorschläge scheinen nun in einer Schublade verschwunden zu sein. Und gewisse Branchen verdienen an den Versicherten gutes Geld, ohne dass dem entgegengewirkt wird.
Viele falsche Anreize
Man hat es bereits bei der Abstimmung zur Franchisenbefreiung für Rentner gesehen: Die Bevölkerung ist es leid, zuzuschauen, wie ihre Bedürfnisse nicht wahrgenommen werden. So wird das ganze System wieder anfällig auf wenig nachhaltige aber populistisch wirksame Massnahmen. Spätestens im Juni wird der Basar zur Erhöhung des Staatsbeitrags dann wieder eröffnet. Bestenfalls kann man sich damit für ein paar Millionen Franken Zeit erkaufen. Mehr aber auch nicht.
Denn die Probleme im System sind anderer Natur: Es ist voll mit falschen Anreizen. Die VU hat immer wieder die Aufwertung des Hausarztberufs und damit eine Rückkehr des Hausarztsystems ins Spiel gebracht. Als relativ günstige Dienstleister wären sie die Drehtüre für medizinische Fälle und würden zu den teureren Fachärzten überweisen, wenn es auch Sinn ergibt. Eine solche Triage ist heute nicht mehr gegeben. Und weil das so ist, gehen viele gleich zum teuren Spezialisten - weil man es kann. In der Schweiz wurde das bereits erkannt und es werden von einzelnen Versicherungen Hausarztmodelle angeboten. In Liechtenstein hat die Alleinregierung der FBP die damals «rote Idee» aus parteipolitischen Gründen schon im Keim erstickt, bevor der neue Ansatz seine Wirkung entfalten konnte.
Es ist nichts Verwerfliches, mit der Gesundheit der Menschen Geld zu verdienen. Die Gesundheit darf es Wert sein, mitunter auch einen hohen Betrag zu zahlen. Allerdings stellt sich die Frage, ob man dieses Einkommen nicht auch an Erfolgsprinzipien knüpfen könnte. Im heutigen System wird nicht nach Erfolg abgerechnet, sondern nach Anzahl und Art der Konsultation. Ob erfolgreich oder nicht, spielt keine Rolle. Da ist es nur allzu menschlich, dass einige dieses Schlupfloch zu ihrem eigenen monetären Vorteil nützen.
Mit den Änderungen, die wir mit Tarmed etc. aus der Schweiz übernommen haben, haben wir uns auch in einigen Bereichen Handlungsspielräume genommen und uns stattdessen ins gleiche Boot wie die Nachbarn gesetzt. Auch in der Schweiz sind die Gesundheitskosten thematischer Dauerbrenner und nachhaltige Lösungen sind nicht in Sicht. Wir müssen dieses System kritisch hinterfragen, wenn wir die Kosten für die Bürgerinnen und Bürger im Griff behalten wollen. Und vielleicht muss man sich wieder einmal fragen, ob es nicht auch Liechtensteiner Wege gibt, um den Gesundheitskosten Herr zu werden.