Stellungnahme zur AHV-Vernehmlassung
Sehr geehrter Herr Regierungsrat
Besten Dank für die Möglichkeit, zum Vernehmlassungsbericht Stellung nehmen zu können. Die Vaterländische Union (VU) begrüsst Ihre Absicht, die AHV auch langfristig auf ein solides Fundament zu stellen und führt dazu Folgendes aus:
Die vorgeschlagene Lösung mit der Erhöhung des Beitragssatzes von 8.1% auf 8.7% ab 1. Januar 2024 und die Einmaleinlage bzw. der ausserordentliche Staatsbeitrag von CHF 100 Mio. aus dem Staatsvermögen in den AHV-Fonds per Ende 2020 ist als kleinster gemeinsamer Nenner aus der Diskussion im Landtag zu werten. Die Massnahmen sind nicht sonderlich mutig oder visionär ausgefallen, sondern beschränken sich auf das Minimum, um einen Konsens zu erreichen. Insofern wird hier mit dem politisch Machbaren operiert. Das ist legitim aber nicht nachhaltig. Mit diesem Vorgehen wird kurzfristig stabilisiert, aber die Probleme werden nicht behoben. Sie werden in die Zukunft aufgeschoben. Stand heute fällt der AHV-Fonds im Jahr 2036, also in 16 Jahren, unter die «magische» Grenze von fünf Jahresausgaben. Mit den vorliegenden Massnahmen wird dieser Zeitpunkt in einem mittleren wirtschaftlichen Entwicklungsszenario um zwei Jahre nach hinten geschoben.
Fehlende Nachhaltigkeit
Mit der Einmaleinlage wird dafür gesorgt, dass keine wiederkehrenden Kosten generiert werden. Das liegt ganz in der Philosophie des Finanzministers. Allerdings sind solche Einmalzuschüsse – wie der Name schon sagt – nicht nachhaltig, sondern einmalig. Sie befassen den Landtag also bewusst zum zweiten Mal in fünf Jahren mit einer AHV-Vorlage, welche keine Nachhaltigkeitsfaktoren berücksichtigt. Der nächste oder übernächste Gesellschaftsminister wird sich also wieder gezwungenermassen mit dem Thema auseinandersetzen müssen.
Der Staat hat sich mit der Senkung seines Beitrags von zuletzt CHF 54 Mio. auf CHF 30 Mio. aus der Solidargemeinschaft des wichtigsten Sozialwerkes zum Zwecke der Sanierung der Staatsfinanzen ein Stück weit zurückgezogen. Der VU-Antrag aus dem Jahr 2015 beabsichtigte, dass sich der Staat zu 50% am Umlagedefizit der AHV beteiligt, mindestens jedoch mit CHF 30 Mio. und maximal mit CHF 55 Mio. pro Jahr, dies um der AHV einerseits Planungssicherheit zu geben und andererseits das Risiko für den Staat nach oben zu begrenzen. Der Antrag für mehr Flexibilität bei der AHV und der Berücksichtigung der Szenarien im System ist mit 12 Stimmen im Landtag nur knapp gescheitert. Mit dieser Massnahme hätten wir die aktuelle Diskussion garantiert nicht zum jetzigen Zeitpunkt gehabt. Die Fragen, ob und wann beim flexiblen Staatsbeitrag nach dem VU-Modell diese Diskussion angestanden hätte, bleibt im vorliegenden Vernehmlassungsbericht leider unbeantwortet. Hier könnte ein Durchrechnen des von der VU vorgeschlagenen Modells auf eine erste Lesung hin Aufschluss geben, worum wir Sie, Herr Gesellschaftsminister, hiermit bitten: Wie hätte sich die Situation bei einer Annahme dieses Antrages über die Jahre entwickelt? Welche Auswirkungen auf die Beteiligung des Staates wäre in den letzten Jahren entstanden und mit welcher Entwicklung des Staatsbeitrags hätte man in den nächsten Jahren (z.B. bis 2038) rechnen müssen?
Gehen die Reformen in diesem Tempo und mit dem heutigen Anspruch an Nachhaltigkeit weiter, werden wir uns in Kürze wiederum mit einer Verpolitisierung der AHV-Sicherung konfrontiert sehen. Stattdessen müssten wir Mechanismen schaffen, die nachhaltig auf das System wirken und den wirtschaftlichen Verläufen flexibel Rechnung tragen.
Zur Erinnerung: Mit den aktuell CHF 30 Mio. Franken steuert unser Staat nicht einmal mehr 10 Prozent (9.9 Prozent von CHF 304.36 Mio.) der AHV-Ausgaben bei – Tendenz sinkend. In der Schweiz sind es 20.2 Prozent der Ausgaben, die seit der jüngsten Reform vom Staat getragen werden. Während sich die Schweiz also verstärkt um Solidarität mit dem wichtigsten Sozialwerk bemüht, sinkt dieser Beitrag in Liechtenstein stetig, wenn man auf den starren Staatsbeitrag beharrt.
Vermischung von Kassen
Mit der Querfinanzierung zwischen AHV- und FAK-Beiträgen findet eine Vermischung der beiden Kassen statt. Die FAK, die von Arbeitgebern für die Familienpolitik zur Verfügung gestellt wird, macht man so zur Verhandlungsmasse, um den Arbeitgebern die Erhöhung der AHV-Beiträge schmackhaft zu machen. Insofern erinnert der Ansatz schon an den fragwürdigen Lösungsvorschlag von FBP-Fraktion und -Präsidium, wonach Geld aus den Finanzzuweisungen an die Gemeinden in den OKP-Staatsbeitrag geflossen wäre, um Beitragserhöhungen an die AHV zu erkaufen. Die Zweckentfremdung verschiedener Kassen und Geldflüsse sieht die VU sehr kritisch. Es entsteht der Eindruck, dass die politischen Entscheidungsträger nicht wissen, was sie mit dem Geld für Familien anfangen sollen – und das, obwohl gerade jungen Familien aus dem Mittelstand eine höhere Förderung und Entlastung gut täte. Dass im Vorschlag die FAK-Beiträge gesenkt werden sollen, lässt vermuten, dass für neue Lösungen im Zusammenhang mit der besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf künftig weniger Geld vorhanden sein wird. Es sei an dieser Stelle dazu die Studie der Sophie von Liechtenstein Stiftung erwähnt, wonach Eltern ermöglicht werden sollte, die Kinderbetreuung im ersten Lebensjahr der Kinder selbst übernehmen zu können. Wer bezahlt allfällige Mehrkosten für die FAK, falls solche Bemühungen einst erfolgreich sein könnten? Eine gewisse Skepsis der Wirtschaft ist hier wohl nicht ausgeschlossen. So betrachtet, könnte diese Lösung indirekt Fortschritte bei der besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf torpedieren.
Verantwortungsvolle Zukunftslösungen abgelehnt
Die VU hatte im Oktober 2019 eine Motion lanciert, welche Teile der Glücksspielabgabe zur Finanzierung der AHV vorgesehen hat. Der Geschäftsgang der Glücksspielunternehmen in Liechtenstein wies darauf hin, dass hier grosse Beträge für die AHV verfügbar gewesen wären. Auch hier hat der Landtag eine Chance verpasst, nachhaltige Lösungen anzustreben. Als einer der Kritikpunkte wurde damals aufgeführt, dass die Geldspielabgaben einer gewissen Volatilität unterworfen seien. Was passiert, wenn die Einnahmen einbrechen und dieses Geld dann nicht mehr für die AHV zur Verfügung steht? Dem ist entgegenzuhalten, dass auch Einmalzuschüsse nur möglich sind, wenn der Staat gute Zahlen schreibt. Im vorliegenden Fall ist der 100-Millionen-Franken-Zuschuss auch nur der Fügung zu verdanken, dass eine unerwartete und sehr hohe Steuereinkunft zu verzeichnen ist. Ergo hat auch in diesem Fall Fortuna ihren Beitrag zu diesem Vorschlag geleistet. Prozentuale Beiträge aus den Geldspielabgaben wären hingegen kontinuierlich in den AHV-Fonds geflossen. Es ist nicht anzunehmen, dass die Casino-Einnahmen in den nächsten Jahren derart einbrechen, damit es hier in wenigen Jahren neue Massnahmen benötigt hätte.
Bei der aktuellen Vorlage sind hingegen die Diskussionen über die Erhöhung des Rentenalters und weitere Beitragserhöhungen für die arbeitende Bevölkerung und die Wirtschaft implementiert. Die Kasse selbst und die Versicherten werden dann wieder mit Veränderungen konfrontiert, weil nachhaltige Lösungen aus parteipolitischen Interessen verhindert wurden. Die Flexibilisierung des Staatsbeitrags und die Einnahmen aus den Geldspielabgaben wären Lösungen gewesen, welche zu keiner unmittelbaren Mehrbelastung der Bevölkerung geführt hätten.
VU bietet Hand für nachhaltige Lösungen
Die Vaterländische Union setzt sich ohne Wenn und Aber für die Sicherung unseres wichtigsten Sozialwerks ein. Die VU wäre auch für ambitioniertere, nachhaltigere und mutigere Vorschläge zu haben gewesen und hat solche Vorschläge auch immer wieder in die Debatte eingebracht. Wir werden das auch weiterhin tun. Zu den Hauptzielen von VU-Vorstössen gehörte immer, dass Mehrbelastungen für die Bevölkerung und die Wirtschaft vermieden werden. Der Staat soll wieder mehr Verantwortung für die AHV übernehmen. Da voraussichtlich in wenigen Jahren die AHV-Sicherung wieder Thema im Landtag sein wird, setzt sich die VU weiterhin für diese Ziele ein.
Mit der Annahme dieser Vorlage sind weitere Diskussionen über Massnahmen wie zum Beispiel die Koppelung des Renteneintrittsalters an die Lebenserwartung – vorgeschlagen von Erbprinz Alois in seiner Thronrede dieses Jahres – vorprogrammiert. Mit der Einmalzahlung von CHF 100 Mio. kommt der Staat der erhöhten Verantwortung zumindest einmalig nach. Die Mehrbelastung ist für Bevölkerung und Wirtschaft moderat. Gespannt wartet die Union auf die Antwort der Sozialpartner auf diese Vorlage.
Die vorliegende Minimallösung ist nicht der Weisheit letzter Schluss, aber sie behebt immerhin die drängendsten Probleme. Zudem dürfte damit der bereits im Landtag gescheiterte FBP-3-Punkte-Plan endgültig vom Tisch sein, was durchwegs positiv zu bewerten ist.