«Mutige Investitionen in Angriff nehmen»
Thomas, du bist jetzt seit Mitte März Präsident der VU. Wie hast du die ersten Monate erlebt?
Thomas Zwiefelhofer: Ich denke, der Start in das neue Amt ist gut gelungen. Das liegt vor allem an der Unterstützung von vielen Seiten, aber auch an der guten Ausgangslage, die mein Vorgänger Günther Fritz hinterlassen hat. Mit einem Wahlsieg im Rücken und einem ausgezeichneten Team in der Parteispitze macht die neue Aufgabe wirklich Freude, und ich bin guter Dinge, dass wir gemeinsam weitere Erfolge erzielen können.
Die Sommermonate sind ja aufgrund der Ferienzeit politisch etwas ruhiger. Wie bereitest du dich auf den politischen Herbst vor?
Auch ich nutze den Sommer, um Kräfte zu sammeln und die Batterien wieder aufzuladen. Die Vorbereitungen auf den politischen Herbst haben wir eigentlich bereits im Frühsommer eingeleitet und in der Partei verschiedene Aufgaben verteilt. Ich freue mich, dass in der VU an vielen Stellen intensiv gearbeitet wird und wir im Herbst sicher aus dem Vollen schöpfen können.
Welche Themen beschäftigen dich persönlich aktuell am meisten?
Es sind vor allem berufliche Herausforderungen, die meinen Tag derzeit mehr als gut ausfüllen. Insbesondere das bevorstehende Moneyval-Assessment unseres Landes bedeutet auch für mich viel Vorbereitung, da es allen Finanzplatzteilnehmern wie auch den Behörden wichtig ist, dass unser Land hier gut abschneidet. Generell beschäftige ich mich viel mit Finanzplatzthemen, sei es z.B. im Stiftungsrecht oder im Bereich der Geldwäschereibekämpfung, oder als Präsident der VLGST mit allen Aspekten rund um Philanthropie und gemeinnütziges Wirken. Noch vor Beruf und Politik ist mir meine Familie sehr wichtig, und mit drei praktisch erwachsenen Kindern ist da immer etwas los. Da kommt nie Langeweile auf. Und dann sind ja noch meine Hobbys wie die Naturfotografie, der Weinberg oder verschiedene Sportarten, die ich als Ausgleich pflege und liebe.
Corona und die Impfpolitik bewegen derzeit die Gemüter: Ein Blick auf andere Länder zeigt verschiedene Ansätze. Welches Modell findest du besonders spannend?
Ich war und bin beeindruckt von Israel, das früh und mit Nachdruck auf die Impfungen gesetzt hat. Dass es nun mit der Delta-Variante Rückschläge gegeben hat, schmälert den Erfolg der Strategie m.E. nicht. Ebenfalls beeindruckend finde ich, wie in Vorarlberg der Einsatz der COVID-Zertifikate in der Praxis funktioniert. Ohne grosses Jammern und nach meinem Empfinden erfolgreich wird damit eine saubere Strategie umgesetzt.
Wie erlebst du die aktuelle Debatte und welchen Weg müsste Liechtenstein deiner Meinung nach nun gehen?
Der verstärkte Einsatz des COVID-Zertifikats ist nach meiner Meinung auch in Liechtenstein der richtige Weg. Damit wird die Wahlfreiheit zwischen Impfen oder Testen gewährleistet, mit einem hohen Schutz und ohne lästige Einschränkungen im Alltag für die Menschen. Mittlerweile bin ich der Meinung, dass die Zuverlässigen der Corona-Tests bis auf weiteres kostenlos bleiben sollten, da ansonsten die gesellschaftliche Spaltung weiter zunehmen könnte und wir uns diesen Kompromiss zudem wirklich leisten können. Persönlich bin ich klar für ein noch stärkeres Fördern der Impfungen. Ohne eine höhere Impfquote wird das Drama so schnell nicht enden. Wir sollten darum alles unternehmen, um noch mehr Menschen zur Impfung zu bewegen, ohne dass es als übermässiger Druck empfunden wird.
Ein grosses Thema der letzten Wochen waren die Unwetter in Deutschland. Wie siehst du Liechtenstein für diese Themen gerüstet?
Als ehemaliger Innenminister kenne ich die Aufgaben und die Arbeit unseres Bevölkerungsschutzes sehr gut. In Liechtenstein wird hier vorbildlich gearbeitet, wir dürfen uns aber nicht auf dem Erreichten ausruhen. Die geologischen Besonderheiten des Rätikongebirges mit Rüfen und Steinschlägen sind anspruchsvoll und fordern auch in Zukunft Investitionen. Auch die Verbesserung des Hochwasserschutzes am Rhein ist richtig. Ich bin persönlich auch vom Nutzen der Rheinaufweitungen überzeugt und hoffe, dass Liechtenstein hier solidarisch mit den Nachbarn Hand für Lösungen bietet. Generell habe ich immer wieder betont: bei der Sicherheit dürfen wir nicht sparen.
Auch zum Thema Tierschutz erscheinen derzeit einige Leserbriefe, nachdem in den letzten Monaten einige haarsträubende Fälle von Tierquälereibekannt wurden. Besteht bei uns deiner Meinung nach Handlungsbedarf?
Ganz klar ja. Wie wir mit Tieren umgehen, zeigt unseren wahren Charakter. Ich bin wie viele andere der Meinung, dass hier Handlungsbedarf besteht! Tierquälerei und nicht artgerechte Tierhaltung sollten stärker beobachtet und schärfer sanktioniert werden. Aber auch wir alle als Konsumenten können aktiv zum Tierschutz beitragen, indem wir bewusster auf die Hintergründe der Produktion der tierischen Produkte achten, die wir kaufen.
Im Herbst wird die langfristige Sicherung der AHV im Landtag diskutiert. Auch in der Schweiz gehen hier die Wogen hoch. Von der Zusammenführung von AHV und Pensionskassen bis zur Erhöhung des Renteneintrittsalters ist alles dabei. Welchen Weg wird hier die VU einschlagen bzw. welche Massnahmen würdest du als zielführend erachten?
In der VU wird dieses Thema seit Jahren sehr eng verfolgt und unsere Partei hat dazu auch immer wieder Lösungs- und Verbesserungsvorschläge eingebracht. Aufgrund der bevorstehenden erneuten Landtagsdebatte zur Sicherung der AHV haben wir eine Arbeitsgruppe AHV bestellt, die derzeit intensiv am Thema arbeitet. Ich möchte den Ergebnissen dieser engagierten Gruppe nicht vorgreifen, aber es sind einige interessante Ideen in Arbeit, soviel kann ich schon verraten.
Welche Themen werden uns in den kommenden Monaten deines Erachtens noch beschäftigen?
Nebst vielen anderen Themen werden uns Corona, AHV, Verfassungsjubiläum, Finanzausgleich, Klimapolitik oder die Wild-Wald-Thematik in den kommenden Monaten sicher weiter beschäftigen. Auch das Thema «Casino» dürfte noch weiteren Gesprächsstoff geben, wobei ich hier klarstellen möchte, dass ich mich einerseits über den wirtschaftlichen Erfolg der Liberalisierung freue, anderseits aber auch der Meinung bin, dass es mittlerweile zu viel Erfolg ist. Mit zwei, drei gediegenen Spielbanken, die unseren Standort bereichern, wäre das ursprüngliche Ziel erreicht. Ich bin überzeugt, dass die angestrebten Massnahmen von Regierung und Landtag, insbesondere die überwiesene VU-Motion, die Konsolidierung zu einer grössenverträglichen Casinodichte beschleunigen werden. Eine Rückkehr zu einem Verbot lehne ich hingegen klar ab.
Zum Schluss noch ein Blick in die Zukunft: was sind für Dich die strategischen Themen der kommenden Jahre und Jahrzehnte für unser Land?
Vieles ist bereits im aktuellen Koalitionsvertrag skizziert, der den politischen Handlungsrahmen für die kommende Jahre setzt. Persönlich denke ich, dass wir zwar weiterhin auf die Solidität unserer Staatsfinanzen achten sollten, aber auch mutige Investitionen in Angriff nehmen sollten. Geld horten kann nicht das alleinige langfristige Ziel sein. Wichtige strategische Handlungsfelder sind dabei für mich Verkehr und Mobilität, verbesserte oder neue Vorsorge- und Pflegemodelle, Natur- und Artenschutz in Verbindung mit einer grössenverträglichen Klimapolitik, Innovationsförderung ohne kurzfristige Showeffekte, und vor allem auch Investitionen in die Bildung und die Jugend. Das letzte ist für mich fast das wichtigste. Mit der neuen Bildungsstrategie von Regierungsrätin Dominique Hasler und der aktiven Umsetzung der Schulbautenstrategie leistet die VU auch hier einen wichtigen Beitrag.