Krankheitskosten: «Sind noch lange nicht dort, wo wir hin sollten»
Im gestrigen «Vaterland»-Front-artikel erklärt Gesellschaftsminister Mauro Pedrazzini, angesprochen auf die Einführung des Hausarztsystems, wie Patienten in Kooperation mit den Leistungserbringern das aktuelle Gesundheitssystem ausnützen und die Kosten in die Höhe treiben würden: «Die Patienten im Land seien sehr verwöhnt vom hiesigen Service und wenn sie zum Spezialisten wollen, dann gehen sie laut Pedrazzini zum Hausarzt und holen sich die Überweisung.
In der Schweiz werden nun massive Korrekturmassnahmen im KVG vorgeschlagen, weil die Kosten immer weiter steigen. Unter anderem soll die Freie Arztwahl eingeschränkt und ein Hausarztmodell verpflichtend eingeführt werden. In Liechtenstein führte die VU im Jahr 2000 bereits ein solches ein. 2003 wurde es von der FBP-Alleinregierung aus politischen Gründen gleich wieder abgeschafft. «Parteipolitik ist der Regierung offenbar wichtiger als tragfähige Lösungen für ein schwieriges Problem», erklärte VU-Fraktionssprecher Peter Sprenger dazu im Oktober-Landtag 2003. Knapp 20 Jahre nach der Einführung durch die VU in Liechtenstein möchte nun der Bundesrat in der Schweiz darauf zurückgreifen, weil der Kostenexplosion offensichtlich nicht beizukommen ist.
Die Prämien und die Gesundheitskosten steigen stetig weiter. Die Effekte der jüngsten KVG-Revision sind damit auch in Liechtenstein verpufft. Der VU-Abgeordnete Christoph Wenaweser setzt sich schon lange für eine Stärkung der Hausarztmedizin ein. Er erklärte am 14. Juli 2018 im Vaterland: «Auch wenn die Prämien temporär verharren, der nächste Schub nach oben kommt bestimmt. Es ist verfrüht, eine erfolgreiche KVG-Revision zu feiern. Eingedenk der
gesamten Baustellen im Gesundheitswesen müssen wir uns viel eher eingestehen, dass wir insgesamt noch lange nicht dort sind, wo wir hin sollten.» Die aktuellen Entwicklungen zeigen, dass er damit leider Recht behält. Und das, obwohl vor allem jeder Kranke – Pedrazzini würde womöglich sagen: Bezüger von Gesundheitsdienstleistungen – mittlerweile mehr bezahlt. Auch die Einführung des Tarmed dämpfte nur vorübergehend die Kostensteigerung.
Nun hat man grundsätzlich mehrere Optionen: Entweder, man entwickelt das bestehende System weiter – zum Beispiel mit der Wiedereinführung eines in den frühen 2000er Jahren viel zu schnell gekippten Hausarztsystems, denn immerhin bezeichnete die Regierung im Bericht und Antrag zur grossen KVG-Revision im Jahr 2015 die Hausärzte als kostengünstigen Behandlungspfad – oder man ändert das System grundlegend. Anhaltspunkte dafür fänden sich beispielsweise in Singapur, wo man für Gesundheitskosten im Vergleich mit der Schweiz bei gleicher Qualität ca. viermal weniger ausgibt. Das wäre ein adäquates Mittel, um Fehlanreize im System zu minimieren, sollten Pedrazzinis Vermutungen zutreffen.
Es hilft jedenfalls nicht, den Kopf in den Sand zu stecken. Ausser, man wartet, bis der Leidensdruck auf die Sozialhilfe durchschlägt. Unterdessen steigt der Druck nämlich vor allem auf mittelständische Familien, wenn die Prämien wieder anziehen.