Ein Rundum-sorglos-Paket für die Kinderbetreuung?
von Dagmar Bühler-Nigsch
Der Landtag wird in der kommenden Woche die «Motion für Schule und Betreuung neu aus einer Hand» beraten. Es soll ein fakultatives und standardisiertes Ganzbetreuungs-Modell geschaffen werden, welches allen berufstätigen Eltern, ob Teil- oder Vollzeit ermöglicht, ihre Kinder in ihrer Wohngemeinde, wenn gewünscht ganztags, betreuen zu lassen. Mein erster Gedanke war: Ein Rundum-Sorglos-Paket für die Kinderbetreuung.
Jahrelang hinausgeschoben
Bei der Überlegung, wie man das Kind am besten ins Zentrum stellt, kommt der örtlichen und organisatorischen Abstimmung zwischen Bildung und Betreuung eine grosse Bedeutung zu. Gerade mit Blick auf die Frühe Förderung und die Chancengleichheit kann eine solche Zusammenführung Vorteile bieten. Gleichzeitig wäre eine vollständige Zusammenführung ein radikaler Systemwechsel mit noch nicht einschätzbaren Risiken.
So würde eine wie von den Motionären angedachte Zusammenführung bedeuten, dass der Grossteil der Verantwortung in der Familienpolitik, die derzeit beim Gesellschaftsministerium angesiedelt ist, zum Bildungsministerium verlagert wird.
Wie lange reden wir schon von der dringend benötigten Verbesserung von Vereinbarkeit und Beruf? Von Seiten der Schulen wurden mit der Einführung der flexiblen Eingangszeiten bereits Fortschritte gemacht. Die Studie «Familienpolitik in Gegenwart und Zukunft», aus dem Jahr 2018, welche vom Liechtenstein Institut im Auftrag der Regierung erarbeitet wurde, liefert viele wertvolle Ergebnisse einer Umfrage und Handlungsempfehlungen, welche nur darauf warten, realisiert zu werden. Vor allem jetzt - in Zeiten von Fachkräftemangel - spüren wir die Folgen, vom jahrelangen Hinausschieben und sind mehr denn je darauf angewiesen, die Rahmenbedingungen anzupassen und das brachliegende Potential bestmöglich auszuschöpfen.
Andere Modelle nicht diskriminieren
Die Fachstellen und der Bereich Bildung mit frühkindlicher Betreuung, wie Kindertagesstätten, Eltern-Kind-Forum, Koordination- und Beratungsstelle Frühe Förderung, die Jugendhilfe und weitere sind aktuell beim Amt für soziale Dienste (ASD) angegliedert. Auch die Tagesstrukturen (Mittagstische) sind dem ASD unterstellt, hingegen sind die Tagesschulen bei den Gemeindeschulen angesiedelt, also beim Schulamt. Dies hat Auswirkungen auf die unterschiedlichen Betreuungsschlüssel und die Finanzierung.
Wenn eine solche markante Umstrukturierung in die Wege geleitet werden soll, bringt das viele organisatorische und strukturelle Anpassungen mit sich, die sorgfältig geprüft und mit Bedacht umgesetzt werden müssen. Für mich geht es auch um die Gleichbehandlung der verschiedenen Familienmodelle und um die tatsächliche Wertschätzung der unbezahlten familiären Betreuungs- und Pflegearbeit. Dies bedingt eine Debatte in Politik und Gesellschaft, in der wir uns als Gesellschaft intensiv mit der Frage auseinandersetzen, welche Aufgaben in welchem Umfang dem Staat in der Kinderbetreuung zukommen sollen, ohne dass andere Modelle diskriminiert werden.