Echter Dialog statt Sprachwirrwarr
Frauen sichtbarer zu machen, ist ein gutes und wichtiges Anliegen. Und so haben wir der feministischen
Linguistik einige Vereinfachungen zu verdanken. Wir sprechen heute von Feuerwehrleuten statt nur von Feuerwehrmännern oder davon, dass jemand den Beruf einer Kauffrau erlernt. Früher waren gewisse Rollen auf ihre männliche Formulierung reduziert (Frau … ist Kaufmann) und bildeten so die gesellschaftliche Wirklichkeit nur unzureichend ab. Die feministische Sprachkritik hat uns dazu gebracht, Frauen sichtbarer zu machen – ohne grosse sprachliche Umtriebe.
Jetzt wird aber mit der Debatte rund um das Gendern der Bogen in den Augen vieler überspannt. Mit sprachfremden Symbolen und Zeichen und umständlichen Sprechpausen hält ein «Gendersprech» in diversen Medien und Verwaltungsinstanzen im deutschsprachigen Raum Einzug, was alles komplizierter macht. Das Hauptziel ist es, das generische Maskulinum abzuschaffen. Dabei wird ausser Acht gelassen, dass das generische Maskulinum nicht diskriminierend, sondern per se neutral ist. Es verwendet lediglich ein maskulines Genus, ist jedoch in Bezug auf den Sexus (das biologische Geschlecht) neutral und umfasst alle Mitglieder einer Gruppe (z.B. Alle Lehrer sind im Lehrerzimmer). Doch das reicht den Verfechterinnen und Verfechtern der Gendersprache nicht. Entweder sollen weibliche Endungen immer gesprochen (z. B. Alle Lehrerinnen und Lehrer sind im Lehrer- und Lehrerinnenzimmer; Alle Lehrer:innen sind im Lehrer:innenzimmer) oder der Begriff soll ganz neutralisiert werden (z.B. Alle Lehrenden im Lehrendenzimmer). Dabei ist es offensichtlich zweit-rangig, ob ein Text auch lesbar ist und verständlich bleibt.
Es geht ums Prinzip – zulasten der Kommunikation. Dass mittlerweile auch die Duden-Redaktion solchen umständlichen Wendungen Vorschub leistet, sorgt für Verwunderung. Die Gleichberechtigung der Geschlechter ist ein zentrales Anliegen zeitgemässer Politik. Die Hoffnung, dass mit grammatisch falschen Eingriffen in die Sprache gesellschaftliche Realitäten angepasst werden können und sich Probleme in Luft auflösen, ist vergebens. Bereits so viele Menschen, ob sprachwissenschaftlich bewandert oder nicht, wehren sich gegen solche Sprachverschandelungen. Schon diese Tatsache lässt darauf schliessen, dass eine Mehrheitsfähigkeit für diesen «Gendersprech» nicht gegeben ist. Je vehementer Sprachanpassungen von oben verordnet werden, desto grösser ist der Widerstand. Sachlicher Dialog wird so erschwert.
Mit Sprachexperimenten wird Symbolpolitik betrieben. Dabei sind zur besseren Sichtbarkeit von Frauen gesunde Mittelwege und Geduld gefragt, wie es auch Claudia Bartholdi von der Frauenunion im Beitrag in dieser Ausgabe beschreibt. So könnte erreicht werden, dass Lesbarkeit und Sichtbarkeit keine Widersprüche mehr sind.