Ausleitkraftwerk: Hohe Kosten, grosser Schaden, wenig Nutzen
Rainer, du wehrst dich wie die verschiedenen Umweltorganisationen und die Gemeinde Ruggell gegen die Pläne für ein Ausleitkraftwerk. Wäre die Erhöhung der Eigenversorgung nicht sinnvoll?
Rainer Kühnis: Klar wäre das gut. Ich bin selbst ein grosser Verfechter davon, möglichst energieunabhängig zu werden. Nur werden wir durch dieses Kraftwerk nicht nur keine grossen Sprünge machen, sondern vermutlich mehr Schaden anrichten als Nutzen generieren. Darum müssen wir uns solche Schritte wirklich genau überlegen.
Welchen Schaden meinst du?
Im Staubereich von Wasserkraftwerken kommt es zur Verschlammung und zur Entwicklung von Faulgasen. Da beim DpL-Projekt südlich von Bendern Wasser aus dem Rhein in den Kanal zugeführt werden soll, kommt es wohl zusätzlich auf einer längeren Strecke des Kanals zu einer Verschlammung, denn Rheinwasser ist durch den Kraftwerksbetrieb der Oberlieger mehrheitlich trübe und mit Schwebstoffen durchsetzt. Dies im Gegensatz zum Kanalwasser, welches klar ist – ausser bei Unwetter und Starkregen. Man würde sozusagen Schlamm aus dem Rhein in unser wichtigstes Binnengewässer importieren.
Und was würde das bedeuten?
Der geplante Kraftwerks-Perimeter führt über eine längere Strecke durch eine Wasserschutzzone, zu der auch der jetzige Kanal und der Auenwald gehört. Flüsse und das Grundwasser bilden eine Einheit. Wenn nun trübes Rheinwasser oberhalb dieser Schutzzone in den Kanal eingeleitet wird, kann dies nicht nur zur Verschlammung der Kanalsohle führen, sondern auch des Naturschutzgebiets Gampriner Seelein und des Ruggeller Mühlebachs. Denn diese werden mit Kanalwasser gespeist. Das könnte einen negativen Einfluss auf das Grundwasser haben, weil dann die Einheit zum Fluss unterbrochen wird. Und das Grundwasser ist ja unser Trinkwasser. Es stellt sich die Frage, ob man das riskieren will. Ich denke nicht.
Eingriffe in die Natur müssen laut Gesetz kompensiert werden. Wie kann das gelingen?
Durch die EWR-Mitgliedschaft und die EU-Wasserrahmenrichtlinie ist Liechtenstein dazu verpflichtet. Letztere sieht bei Gewässereingriffen ein Verbesserungsgebot und ein Verschlechterungsverbot vor. Da der Auenwald und der Mündungsbereich zu den wertvollsten und artenreichsten Lebensräumen des Landes gehören, müssten dafür anderorts mindestens gleichwertige Ausgleichsmassnahmen geschaffen werden. Da der freie Boden im Land bekanntlich sehr knapp ist, müsste dafür wohl wertvoller Landwirtschaftsboden geopfert werden. Hier müsste man sich dann fragen, ob man den Selbstversorgungsgrad der Landwirtschaft – aktuell ist er bei ca. 45 Prozent – zugunsten einer kleinen Zunahme der Stromeigenproduktion opfern möchte.
Die DpL haben verkündet, dass man das alles berücksichtigen könne. Man könne es auch CO2-neutral bewerkstelligen.
Ein Hektar Wald speichert pro Jahr etwa 6 Tonnen CO2. Wenn in Ruggell nun mehrere ha Wald einem Stausee weichen, ist diese CO2-Speicherung weg. Auch der Bau des Kraftwerks mit Zement und Beton ist alles andere als CO2-neutral. Bei der ganzen Diskussion um Klimaneutralität muss man hin und wieder erklären, dass das Bauen eine der grössten Klimasünden ist. Darum kann ich mir das nicht vorstellen.
Du bist Präsident des Fischereivereins Liechtenstein. Was bedeutet so ein Eingriff für die Fische?
Das Kraftwerk würde die bisherige hindernisfreie Fischwanderung stark beeinträchtigen und für viele Arten verunmöglichen. Aber nicht nur die Fische würden unter so einem Eingriff leiden. Auf dem behördenverbindlichen Landesrichtplan ist beim jetzigen Mündungsbereich eine Hauptachse für Wandertierarten eingezeichnet. Diese würde durch den Stausee ebenfalls gestört.
Was würdest du tun, wenn du als Abgeordneter im Landtag über die Überweisung abstimmen müsstest?
Mir ist klar: Wenn das Postulat nicht überwiesen wird, kann das zur Stimmungsmache verwendet werden und man würde behaupten, dass man aus irgendwelchen Gründen nicht an Lösungen interessiert sei. Aber allein die Untersuchung des Postulats durch Fachleute und Staatspersonal würde viel Geld und Zeit verschlingen. Dies, obwohl bereits jetzt viele Problembereiche
bekannt sind und das Kraftwerk keinen nennenswerten Beitrag zur Eigenversorgung beitragen würde. Im Gegenteil: Es gefährdet unter Umständen sogar den Selbstversorgungsgrad der Landwirtschaft und die Trinkwasserversorgung. Ich bin ein betriebswirtschaftlich denkender Mensch und rechne die Kosten gegen den Nutzen. Ich würde klar mit Nein stimmen.