2024 – ein Rekordjahr für die direkte Demokratie
von Dagmar Bühler-Nigsch, Vizepräsidentin und Landtagsabgeordnete
Gleich im Januar kam das Referendumsbegehren zu den Energievorlagen und zum elektronischen Gesundheitsdossier an die Urne, im Februar das Initiativbegehren zur Direktwahl der Regierung, gefolgt von der Abstimmung zum Ergänzungskredit für den Spitalneubau Mitte Juni. Jetzt geht es weiter mit dem Referendum zum IWF und der DpL-Initiative zur Privatisierung von Radio L. Es ist auch denkbar, dass wir uns noch dem Referendum zur FBP-Initiative für ein neues Auszählungsverfahren (Doppelter Pukelsheim) widmen müssen. Wir dürfen also zu Recht sagen, dass unsere Demokratie lebt und die zur Verfügung stehenden demokratischen Mittel von den Bürgerinnen und Bürgern aktiv genutzt werden.
Debakel und Feigenblatt
Der Landtag als Volksvertretung ist in der Verantwortung, sich vertieft mit den meist umfassenden Unterlagen zu den verschiedensten Themen auseinanderzusetzen und Entscheidungen zu treffen. Die Meinungsvielfalt ist gross, es wird durchaus auch kontrovers diskutiert, aber schlussendlich entscheidet die Mehrheit. Sowohl im Landtag als auch beim Stimmvolk, wenn die Vorlagen am Schluss direktdemokratisch noch einmal auf den Prüfstand kommen. Im Landtag wird oft diskutiert, ob unser Entscheid auch einem Volksentscheid standhalten wird. Dies war im Juni-Landtag beim Ergänzungskredit für die Landesbibliothek leider nicht der Fall. Ich persönlich bedaure es ausserordentlich, dass man ein so wertvolles Projekt von landesweitem Interesse, das jahrelang vorbereitet wurde, in das man viel Ressourcen und Herzblut investiert hat, einfach beerdigt hat – mitunter auch noch aus Angst vor einem Referendum. Zudem spielte wohl das Planungsdebakel beim Landesspital eine Rolle, für das die Landesbibliothek als Feigenblatt herhalten musste.
Niedrige Unterschriftengrenze
Es zeigt sich, dass in letzter Zeit immer öfter das Referendum ergriffen wird. Oftmals werden die Unterschriftsbogen an alle Haushalte verschickt, was zwar mit erheblichen Kosten verbunden ist, es aber bedeutend einfacher macht, die benötigten 1000 bzw. 1500 Unterschriften zu sammeln. Diese Zahl wurde seit 1985, nach der Einführung des Frauenstimmrechts, nicht mehr angepasst, auch wenn sich die Zahl der Stimmberechtigten seither fast verdoppelt hat. Mussten 1985 noch 8 bzw. 12 Prozent der Wahlberechtigten eine Gesetzes-, eine Verfassungsinitiative oder ein Referendum unterschreiben, sind es heute noch 4,8 bzw. 7,1 Prozent. Zwischen 1973 und 1985 war noch ein echtes Quorum gefordert: Um die Verfassung zu ändern, waren 20 Prozent der Wahlberechtigten nötig. Also musste jeder Fünfte unterschreiben. Für ein Gesetz waren es 13 Prozent. Nach dem Massstab von 1973 bräuchte man heute 2732 bzw. 4204 Unterschriften. Mit dieser Hürde wären einige Referenden, z. B. das jüngste zum IWF-Beitritt nicht zustande gekommen. Dass wir heute nur einen Bruchteil benötigen, um Volksabstimmungen herbeizuführen, zeugt von einer niedrigen Hürde zur Bevölkerungsbeteiligung. Umso merkwürdiger ist andererseits, dass sich – wie bei der Spitalabstimmung – 33 Prozent der Bevölkerung den Gang zur Abstimmungsurne oder zum nächsten Briefkasten gleich ganz schenken und auf die Beteiligung verzichten.
Sinkende Beteiligung prüfen
Abstimmungen sind auch mit Kosten verbunden. Die VU-Motion zur Einführung von fixen Wahl- und Abstimmungssonntagen wurde im März 2023 mit 17 Ja-Stimmen an die Regierung überwiesen und soll nach der Vernehmlassung im letzten Herbst noch in diesem Jahr umgesetzt werden. Wir hoffen auf eine gute gesetzliche Grundlage, welche den praktischen Herausforderungen gerecht wird. Es wird nämlich auch für die Gemeinden immer schwieriger, das notwendige Personal für die Abstimmungswochenenden zu rekrutieren. Wenn in kurzen Abständen Abstimmungen stattfinden – anstatt sie wie in der Schweiz zu bündeln –, ist das umständlich und schlecht planbar. Die VU wollte zudem mit einem Postulat den richtigen Zeitpunkt nicht verpassen und frühzeitig Möglichkeiten eruieren, was wir tun können, um die Stimmbeteiligung möglichst hochzuhalten. Dazu gehört auch das Prüfen der digitalen Möglichkeiten, um die Teilnahme an politischen Prozessen zu vereinfachen und auch die jüngere Generation besser anzusprechen und einzubinden. Die Teilnahme an Wahlen und Abstimmungen soll mithilfe der Digitalisierung deutlich einfacher gestaltet und zudem sollen die politischen Inhalte über elektronische Plattformen und Tools besser verständlich aufbereitet werden. Leider wollte eine Landtagsmehrheit – und auch das zuständige Regierungsmitglied – davon nichts wissen.
Entscheidend ist aber am Ende das Abstimmungsergebnis an der Urne. Es ist erfreulich, dass grundsätzlich in der Bevölkerung immer noch ein gesundes Gespür für demokratische Prozesse und das politisch Machbare herrscht. Dies hat uns beispielsweise das klare Ergebnis bei der Direktwahl der Regierung gezeigt, wo sich die VU bereits im Vorfeld klar positioniert und stark engagiert hat.