Zuoberst steht der politische Wille
von Christine Schädler, Präsidentin der Frauenunion
Der Überwachungsausschuss der Frauenrechtskonvention (CEDAW) veröffentlichte im Juli 2018 seine Empfehlungen für Liechtenstein. Diese Empfehlungen basieren auf dem 5. Länderbericht, den die liechtensteinische Regierung am 30. Januar 2018 verabschiedet hat, den Schattenberichten der Zivilgesellschaft sowie der Anhörung von Nichtregierungsorganisationen und den Vertreterinnen und Vertretern der liechtensteinischen Regierung, die zwischen dem 2. und 5. Juli in Genf stattfand.
Rechtlich nicht bindend
Die Empfehlungen des Ausschusses sind rechtlich nicht bindend. Ob die Empfehlungen umgesetzt werden, hängt stark vom politischen Goodwill ab. In der Vergangenheit hat sich gezeigt, dass sich vor allem die Nichtregierungsorganisationen für die Umsetzung der Empfehlungen stark gemacht haben. So wird im Bericht des Ausschusses beispielsweise die Gründung des Vereins für Menschen-
rechte und die entsprechende gesetzliche Grundlage positiv erwähnt. Vor allem das Frauennetz hat sich diesbezüglich beharrlich eingesetzt und sich sehr aktiv an der Erarbeitung der notwendigen Grundlagen beteiligt.
Die nächste periodische Berichterstattung wird in vier Jahren stattfinden. Bis dahin hat die Regierung Zeit, den Empfehlungen nachzukommen.
Drei dringliche Empfehlungen
Der Ausschuss hat jedoch verlangt, dass die Regierung zu folgenden drei besonders dringlichen Empfehlungen in einem sogenannten «Follow-Up» in zwei Jahren schriftlich Stellung beziehen muss:
1) Gleichstellungs- und Gender-Mainstreaming-Strategie, in der Massnahmen definiert, die notwendigen finanziellen und personellen Ressourcen zur Verfügung gestellt und Evaluationen durchgeführt werden.
2) Verabschiedung eines Gesetzes zur geschlechtsspezifischen Gewalt gegen Frauen und die rasche Ratifizierung des Istanbul Abkommens.
3) Harmonisierung von Art. 96 - 98a des Strafgesetzbuches in Bezug auf die Legalisierung des Schwangerschaftsabbruches sowohl für die schwangere Frau als auch für die durchführenden Stellen bei Vergewaltigung, Inzest, Bedrohung des Lebens oder der Gesundheit der schwangeren Frau oder bei schwerwiegenden Schädigungen des ungeborenen Kindes. In allen anderen Fällen soll der Schwangerschaftsabbruch entkriminalisiert werden.
Für ausgewogene Vertretung
Der Ausschuss sieht in Bezug auf die Förderung einer ausgewogenen Vertretung von Frauen im politischen und öffentlichen Leben sowie in Bildung und Arbeit Handlungsbedarf. Alle Parteien und Ortsgruppen versuchen seit Monaten, Frauen und Männer für eine Kandidatur für die elf Gemeinderäte zu gewinnen. Immer wieder ist zu hören, dass es sehr schwierig ist, Frauen zu finden, die sich für eine Kandidatur zur Verfügung stellen. Sich zur Verfügung stellen ist das eine, dann auch gewählt zu werden, das andere.
Für übergeordnete Strategie
Ich bin der Meinung, dass es verschiedene Ansatzpunkte gibt, um diesbezüglich etwas zu verändern und zu verbessern. An oberster Stelle stehen für mich der politische Wille, ein klares Bekenntnis der Regierung und ganz besonders, dass die Thematik auf der Agenda des Gesellschaftsministers ist und dass sie entsprechende Priorität und Aufmerksamkeit erhält.
Ich wünsche mir sehr, dass Regierungsrat Mauro Pedrazzini die erste Empfehlung ernst nimmt und dass die aktuellen Bemühungen in eine übergeordnete Strategie einfliessen. Zudem hoffe ich, dass die Massnahmen evaluiert werden und dass gute Ansätze nicht (wie in der Vergangenheit leider oft geschehen) im Sand verlaufen.