«Zu diesem Erbe Sorge tragen»
Fürstl. Rat Hans Brunhart
Alt-Regierungschef
Unsere Verfassung definiert seit 100 Jahren die «Volkswohlfahrt» als oberstes Ziel des Staates. Mir hat diese positive, dem Menschen zugewandte Zielsetzung immer besonders gefallen. Das meint weit mehr als den «Dienstleistungsstaat» und ist ebenso weit weit vom «Staat als Selbstzweck» entfernt. Die Verfassung ist in einer der schwierigsten, aber auch prägendsten Perioden unserer Geschichte entstanden. In einer Zeit der wirtschaftlichen Not und politischen Umwälzungen in Europa haben sich Fürst und Volk auf eine Verfassung verständigt, die sich durch das verpflichtende Prinzip des Zusammenwirkens zum Scharnier des Staates und zur Grundlage der sich behauptenden liechtensteinischen Identität geworden ist. Ich habe grossen Respekt vor der politischen Leistung der damals Verantwortlichen, in einer Verfassung «sui generis» Monarchie und Demokratie zu vereinigen. Ebenso beeindruckt mich aber, auch wenn sie zuweilen veraltet klingt, auch die Sprache mit ihrem Wortlaut, welcher der politischen Gestaltung einen weiten Rahmen gibt und der auch Belastungen aushält.
Dr. Mario Frick
Alt-Regierungschef
Jeder, der einmal in der Politik tätig war, interessiert sich für die Verfassung nur schon deswegen, weil dort klar geregelt ist, wer welche Funktionen hat und wer was zu sagen hat. Dabei ist es ein offenes Geheimnis, dass ich persönlich mit der Kompetenzaufteilung vor 2003 sehr viel mehr anfangen kann als mit den zwischenzeitlich massiv verstärkten Rechten des Fürsten. Doch dies ist in einer Volksabstimmung so angenommen worden und somit zu akzeptieren. Die Verfassung, und gerade unsere Verfassung, ist aber viel wichtiger für das was sie an vermeintlichen Selbstverständlichkeiten aufführt. Die Leistung der Verfassungsväter – leider waren es nur Männer – um Dr. Wilhelm Beck kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Die Grundrechte und Volksrechte in unserer Verfassung sind auch heute noch von einer Modernität und Liberalität, die ihresgleichen sucht. Meinungsäusserungsfreiheit, Eigentumsfreiheit, Rechtsstaatlichkeit, Schutz vor Willkür und willkürlicher Strafe sowie auch der Gleichheitsgrundsatz sind nicht nur niedergeschrieben sondern werden gelebt. Ein Blick in gar nicht so ferne Staaten wie Polen oder Ungarn oder auch Russland und die Türkei zeigen, dass diese vermeintlichen Selbstverständlichkeiten zuerst einmal erstritten werden müssen und dann bewahrt.
Auch unsere Staatsform mit der Grundlage einer Demokratie, die eine konstitutionelle Erbmonarchie miteinander verbindet, ist die richtige Lösung. Wie schon vermerkt, kann man hinsichtlich der Macht des Fürsten unterschiedlicher Auffassung sein. Die Grundidee einer starken Demokratie gepaart mit einem monarchischen Element ist jedenfalls ein Erfolgsmodell. Hätte ich Änderungswünsche ausser dem Offensichtlichen? Nein! Wenn überhaupt, könnte man den Art. 1 des Deutschen Grundgesetzes noch mitübernehmen, welcher aber heute schon überall mitschwingt: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ Ein Satz, der zum Niederknieen schön ist und den auch unsere Verfassung noch lange atmen möge.
Dr. Klaus Tschütscher
Alt-Regierungschef
Wenn etwas hundert Jahre Bestand hat, dann ist das schon ein ganz besonderes Qualitätsmerkmal. Für mich persönlich liegt die Qualität unserer Verfassung darin, dass sie das Miteinander von Fürst und Volk auf eine stabile Grundlage legt. Die Idee des dualistischen Aufbaus, eine starke Monarchie mit ebenfalls starken direktdemokratischen Volksrechten zu verbinden, war eine Glanzleistung der Verfassungsväter und vor allem von Wilhelm Beck. Liechtenstein schlug damit einen innovativen und mutigen Weg ein, der die Entwicklung des Landes bis heute prägt. Ein wesentlicher Grundgedanke war die Schaffung eines Gleichgewichts im Zusammenwirken der beiden Souveräne, das auf Konsens angelegt ist. Dieses Miteinander stellt nach meiner Wahrnehmung ein wichtiges Element des liechtensteinischen Staatsverständ- nisses und eine grosse Stärke unseres kleinen Staates dar. Wir verfügen mit unserer Verfassung über ein tragfähiges, aber auch anpassungsfähiges Fundament für künftige Weiterentwicklungen.
Dr. Daniel Risch
Regierungschef
Die Verfassung, welche am 24. August 1921 vom Landtag einstimmig beschlossen, von Fürst Johann II. sanktioniert und am 5. Oktober 1921 in Vaduz unterzeichnet wurde, bildet seit 100 Jahren die Grundlage für das Funktionieren unseres Staates. Sie wurde in einer Zeit ausverhandelt und erarbeitet, in der sich die Staaten in Europa und der Welt grundlegend veränderten. In Liechtenstein war die Zeit nach dem 1. Weltkrieg geprägt von einer Neuausrichtung hin zur Schweiz und vom starken Willen der Selbstbestimmung. Ohne die Monarchie im Grundsatz in Frage zu stellen, forderten Wilhelm Beck (1885-1936) und seine Vertrauten im Namen der Bevölkerung Liechtensteins die Stärkung der demokratischen Rechte, die Aufwertung des Landtags und dass das Amt des Regierungschefs von einem Bürger Liechtensteins übernommen werden sollte. In konstruktiver Auseinandersetzung konnte dies letztlich alles erreicht werden. Unsere Verfassung ist auch nach 100 Jahren ein nachhaltiges und eindrückliches Beispiel, wie Liechtenstein vom Einsatz und Mut aber gerade auch vom Konsens und Kompromiss profitiert. Zu diesen Werten und diesem Erbe gilt es Sorge zu tragen.