Wohnen wieder bezahlbar machen
von Markus Gstöhl, Stv. Landtagsabgeordneter
Die Preise für Einfamilienhäuser und Eigentumswohnungen sind im letzten Jahr um rund 5 Prozent ge- stiegen. Der Graubereich liegt wahrscheinlich bei 10 Prozent, da in Liechtenstein die Preise sowieso schon sehr hoch sind. Wohneigen- tum ist seit der Finanzkrise unun- terbrochen teurer geworden. Aufgrund der zunehmenden Infla- tion und steigenden Hypothekar- zinsen ist es zurzeit die ungünstigste Kombination für alle, die ein Eigenheim erwerben möchten. Wenn dies aber doch angestrebt wird, dann sind die Preise so hoch, dass es gerade für mittelständische Familien nicht mehr möglich sein wird, den Traum von einem Eigenheim zu verwirklichen. Dies ist sicher auch ein Grund, dass sich immer mehr Familien ins benachbarte Rheintal orientieren, sich da niederlassen und dort bezahlbaren Wohnraum erwerben. Dies war zumindest vor einigen Jahren noch möglich. Jetzt erfährt auch die Schweiz enorme Preissteigerungen, damit die Preise fast schon mit unseren identisch sind.
Mieteinnahmen für höhere Wohnbauförderung besteuern?
Obschon die stark gesunkenen Zinsen in den letzten zwanzig Jahren die Finanzierung von Wohneigentum stark erleichtert haben, wurde der Kauf von Wohnungen oder Häusern nicht einfacher. Was bei der Finanzierung eingespart wurde, haben die im Schnitt doppelt so hohen Preise wieder wettgemacht. In der Bevölkerung ist dies immer wieder ein Thema. Zudem ist der Bodenmarkt in Liechtenstein eng begrenzt. Meistens werden diese Grundstücke nicht ausgeschrieben und unter der Hand gehandelt. Das heisst, sie sind bereits verkauft, bevor sie auf dem Markt sind. Diese Entwicklung ruft nach Handlungsbedarf. Als private Initiative existiert seit ein paar Jahren die Wohnbaugenossenschaft Liechtenstein, die leistbaren Wohnraum anbietet. Es braucht bessere politische Rahmenbedingungen. Die Politik ist gefordert und muss Lösungen aufzeigen. Eine Überarbeitung des Wohnbauförderungsgesetzes aus dem Jahr 1977 in Bezug auf die Förderung der gemeinnützigen Woh- nungsbauten (Kapitel 4) scheint mir hier angezeigt.
Hier könnten Bürgschaften des Staates helfen – analog der Wirtschaftshilfe in der Coronakrise. Bürgschaften wären meines Erachtens eine Investition. Zudem könnte in Erwägung gezogen wer- den, die Mieteinnahmen in Liechtenstein zu besteuern. Vermieter generieren hier schätzungsweise gut 350 Mio Franken an Mieteinnahmen pro Jahr (+/- 10 Prozent). Würden diese beispielsweise mit 10 Prozent besteuert werden, wären dies gut 35 Mio Franken pro Jahr, die zusätzlich für die Wohnbauförderung eingesetzt werden könnten. Dabei ist zu bedenken, dass Liechtenstein eines von wenigen Ländern auf der Welt ist, in denen die Mieteinnahmen nicht besteuert werden müssen. Das Argument der Vermieter, dass dadurch die Mieten in Liechtenstein billiger sind, kann aufgrund der enormen Preissteigerungen der letzten Jahre aus meiner Sicht be- zweifelt werden.
Lockerungen bei Hypotheken
Eine weitere Möglichkeit wäre es, die regulatorischen Vorschriften bei der Vergabe von Hypotheken zu lockern. Zu überdenken wäre der kalkulatorische Zinssatz. Mit ihm soll sichergestellt werden, dass Wohneigentümer genug ver- dienen, um einen Hypothekarzins von 5 Prozent zu verkraften. Eine einkommensabhängige Verschul- dungslimite wäre hier sinnvoller. Ein Ansatz wäre es, den Zinssatz in Bezug auf die zukünftige Karriere und Erwerbsjahre der Personen in Tranchen zu erhöhen. Dann müss- ten die Hypothekarnehmer nicht von Anfang an den kalkulatori- schen Zinssatz erfüllen, sondern erst nach einer gewissen Zeit. Während dieser Zeit müssen die Immobilienbesitzer ja einen Teil der Hypothekarschuld abbezahlen. Ein flexibleres Modell würde gerade in den ersten Jahren für Ent- lastung sorgen. Die hohen Eigen- kapitalvorschriften (20%) können viele Familien nicht stemmen. Nicht zuletzt, weil sie aufgrund der hohen Mieten und Lebenshal- tungskosten keine grossen Erspar- nisse tätigen konnten. Mit der Lockerung der Tragbarkeitsregeln würden mehr Leute zu Eigentum kommen. Das würde ohne flankie- rende Massnahmen das Risiko für Konkurse und Bankenkrisen erhö- hen, sollten die Zinsen massiv steigen. Mit staatlichen Bürg- schaften könnte man dieses Risiko gering halten. Die Regeln müssten so ausgestaltet sein, dass das Woh- nen im Eigenheim gefördert wird – und nicht Immobilienspekulation.
Es kann nicht sein, dass sich ge- rade jene Mittelstandsfamilien sich kein Wohneigentum leisten können, die sehr viel Leistung für das Land erbringen. Nehmen wir eine Familie mit einem Haushalts- einkommen von gut 130 000 Fran- ken: Diese Familie kann sich nach den heutigen Regeln Wohnraum für rund 850 000 Franken leisten. Für diesen Betrag gibt es aber kaum mehr geeignete Objekte. Weil sie sich das nicht leisten kön- nen, finanzieren sie aber mit ihren hohen Mieten die Renditeliegen- schaften von grossen Firmen oder Privatpersonen. Wäre es nicht bes- ser, dieses Geld in ein Eigenheim investieren zu können?
Enge Zusammenarbeit zwischen Land und Gemeinden
Die Baurechtsvergabe in den Ge- meinden für private Personen ist in den letzten Jahren ins Stocken geraten. Dies müsste man gemein- sam mit den Gemeinden landes- weit fokussieren. In letzter Zeit wurden sehr viele Baurechtsver- träge an Firmen und Investoren für Dienstleistungszentren vergeben. Zum Teil werden auch Wohnungen in Dienstleistungszentren inte- griert. Doch diese müssten, falls es sich um einen Baurechtsvertrag handelt, dementsprechend günsti- ger (Subventionierung) durch die Gemeinde angeboten werden.
Fakt ist: Wir haben das Problem, dass sich immer weniger Leute – besonders junge Familien – Wohn- eigentum leisten können. Meist kann nur mit Erbschaften oder Erbvorbezügen überhaupt be- werkstelligt werden, dass sich eine Familie ein Haus oder eine Woh- nung kaufen kann. Die jetzige Si- tuation ist gerade für die Jungen frustrierend. Sie können sich Wohnraum nicht leisten, wenn Sie ihn brauchen. Besonders tragisch: Wenn sie ihn sich leisten könnten, brauchen sie ihn nicht mehr.