«Wir sind von diesem Krieg direkt betroffen»
Krieg - mitten in Europa. Die russische Invasion der Ukraine wird als Zäsur in die Geschichte eingehen, auch wenn der Ausgang noch ungewiss ist. Es ist selbstverständlich und richtig, dass unsere Regierung und das Fürstenhaus den russischen Angriff auf ein souveränes, demokratisches europäisches Land scharf verurteilen, und dass sich Liechtenstein an allen Sanktionen gegen den Aggressor beteiligt. Gerade als einer der kleinsten Staaten der Welt ist Liechtenstein auf den absoluten Respekt von Völkerrecht und Souveränität angewiesen. Das Verhalten des russischen Präsidenten Putin und seines Regimes lässt sich durch nichts rechtfertigen, auch nicht mit pseudohistorischen Herleitungen eines angeblichen Grossrusslands oder einer angeblichen Nicht-Einhaltung von Sicherheitsgarantien. Denn wer die Ausdehnung von Bündnissen freier und demokratischer Staaten als Bedrohung empfindet, muss sich fragen lassen, auf welcher Seite der Geschichte er steht und was genau denn die Bedrohung sein soll.
Liechtenstein ist von diesem Krieg direkt betroffen, zunächst einmal wirtschaftlich. So werden auf unserem Finanzplatz mit Sicherheit auch russische Kunden bedient, die nun von Sanktionen erfasst sein werden. Unsere Industrie ist mit Russland vernetzt und benötigt, wie viele private Häuser und Wohnungen, Gas oder Öl als Quelle für Wärme und Energie. 40 % des europäischen Gases kommen aus Russland. Die Energiepreise werden steigen, das Leben in Liechtenstein wird (noch) teurer werden. Die Politik wird darum verstärkt gefordert sein, wo nötig finanzielle Entlastungen zu schaffen. Und auch die Umsetzung der aktuellen Energiestrategie muss forciert werden, um nebst den wichtigen Klimaschutz-Zielen auch bestehende Abhängigkeiten von den fossilen Energieträgern zu verringern.
Der menschliche Aspekt des Krieges wird in Kürze in ganz Westeuropa und auch in Liechtenstein sichtbar werden. Hunderttausende Flüchtlinge aus der Ukraine werden Unterkunft und Hilfe suchen. Liechtenstein wird hier seiner humanitären Tradition gerecht werden, davon bin ich überzeugt. Als wohlhabendes Land müssen wir unseren Beitrag leisten, so wie wir es auch in der Vergangenheit getan haben.
Durch die digitalen und sozialen Medien findet der Krieg praktisch live vor unseren Augen statt. In Gedanken sind wir deshalb bei den Opfern und Betroffenen und leiden mit. Aber trotz Krieg und seinen schrecklichen Folgen: unser Leben geht weiter. Gerade erst wachen wir langsam aus dem Corona-Alptraum auf, wir freuen uns auf einen normalen Frühling und Sommer, das Leben kehrt in unsere Dörfer, in die Vereine, Restaurants, in die kulturellen Institutionen zurück. Und gerade jetzt freuen sich viele, endlich wieder Fasnacht feiern zu können. Diese Freude am Leben dürfen wir uns trotz Krieg nicht nehmen lassen, aber wir müssen unsere positive Energie auch dazu nutzen, um die Betroffenen zu unterstützen und denjenigen Menschen ein wenig Freude und Frieden zu schenken, die aus dem Kriegsgebiet flüchten. Liechtenstein muss sich an ihre Seite stellen, und damit an die Seite einer freien und souveränen Ukraine.