Violanda Lanter: «Immer mehr Selbstdarsteller und Einzelkämpfer»
Wie fällt Ihr persönliches Fazit aus?
Violanda Lanter: Ich habe zwei sehr unterschiedliche Legislaturen erlebt. Die ersten vier Jahre waren geprägt von den Massnahmenpaketen zur Sanierung des Staatshaushaltes, der Pensionskasse für das Staatspersonal und der Reformen im Gesundheitswesen. Es gab teilweise einschneidende Entscheidungen zu treffen. Trotzdem war das Zusammenspiel von Regierung und Landtag als auch der Austausch unter den Fraktionen intensiv und vertrauensvoll. Sachliche Kompromisslösungen hatten gute Chancen, durchzukommen. Als Landtagsvizepräsidentin war ich zudem stärker in Repräsentationsaufgaben und verschiedene Gremien eingebunden. Die zweite Legislatur bot dagegen mehr finanzpolitischen Spielraum und wir konnten uns wieder mit zukunftsträchtigen Investitionsprojekten beschäftigen. Gelitten hat aber die Vertrauenskultur. Davon zeugen der Parteiaustritt eines FBP-Abgeordneten, die Spaltung der DU-Partei und schliesslich das Misstrauensvotum gegen Regierungsrätin Aurelia Frick.
Der Landtag hat sich in den vergangene vier Jahren viel mit sich selbst beschäftigt. Zu viel?
Ja, das habe ich so empfunden. Es rückten immer mehr Selbstdarsteller und Einzelkämpfer in den Vordergrund, die leider zu oft auch in den Medien über Gebühr Beachtung fanden. Stundenlange Pingpong-Spiele ohne jeglichen Nutzen, Machtgerangel mit der Regierung und immer wieder der Versuch, klare Exekutivaufgaben an sich zu reissen. Das verdirbt die Stimmung. Damit Sie mich richtig verstehen: Verbesserungen im Parlamentsbetrieb und eine sinnvolle Parlamentsreform, die über kurz oder lang sicher wieder einmal ansteht, begrüsse ich.
Gab es eine oder mehrere Entscheidungen bzw. Abstimmungen, von denen Sie sich gewünscht hätten, Sie wären anders ausgefallen?
Jede Mehrheitsentscheidung ist zu akzeptieren, das ist das demokratische Prinzip, auch im Landtag. So lange die Argumente sachlich und transparent dargelegt wurden, haderte ich nicht lange mit Entscheidungen, auch wenn ich auf der Verliererseite war. Was ich bedauere, ist ein Entscheid, den wir mangels abschliessender Vorlage gar nicht beschliessen konnten, nämlich die Trennung von Kirche und Staat. Dies, nachdem nach jahrelangem Verhandeln eine Einigung zwischen der katholischen Kirche und den Gemeinden auf gutem Weg zu sein schien.
Welches war in Ihren Augen die wichtigste Entscheidung, die der Landtag getroffen hat?
Bei den vielen Vorlagen kann ich nicht mit Bestimmtheit sagen, welche die wichtigste gewesen ist. Das wird sich in Zukunft weisen. Wichtig waren aber sicher die Beschlüsse, ein neues Spital und diverse Schulbauten zu errichten oder zu erneuern. Das sind Investitionen in die Zukunft. Auch die Massnahmenpakete im Zusammenhang mit den wirtschaftlichen Folgen des Coronavirus waren und sind enorm wichtig. Für mich ein persönlicher Erfolg war die Überweisung der Motion zur Stärkung der Familien- und Erziehungsarbeit im September 2019. Leider werde ich wegen der zweijährigen Bearbeitungsfrist nicht mehr im Landtag sein, wenn die Regierung den entsprechenden Bericht und Antrag vorlegt. Ebenfalls froh war ich über die Überweisung des parteiübergreifenden Postulats betreffend die zukünftige Finanzierung von Pflege und Betreuung im Alter, an dessen Ausarbeitung ich massgeblich beteiligt gewesen bin.
Wie haben Sie die Zusammenarbeit zwischen Landtag und Regierung empfunden?
Die Zusammenarbeit habe ich grundsätzlich als konstruktiv und vertrauensvoll empfunden. Jede Staatsgewalt hat ihre Aufgaben und Kompetenzen. Da braucht es einen gegenseitigen Vertrauensvorschuss. Aufgrund verschiedener Vorkommnisse sowohl aufseiten des Landtags als auch der Regierung wurde das Vertrauensverhältnis etwas angeknackst. Immerhin kann ich guten Gewissens konstatieren, dass die Wahrnehmung und Erfüllung der Aufgaben darunter nicht gelitten hat. Es ist mir ein Anliegen, allen meinen politischen Weggefährten zu danken für eine spannende, vielseitige und lehrreiche Zeit. Zusammen durften wir Liechtenstein ein kleines Stück mitgestalten!