Sorge-Arbeit: Ein Beitrag für die Gesellschaft und ein Risiko für die Altersvorsorge
Der Wert dieser Arbeit wird in Liechtenstein selten angemessen anerkannt, weder finanziell noch gesellschaftlich. Dabei ist klar: Ohne Sorge-Arbeit würde das soziale Leben, wie wir es kennen, nicht funktionieren. Doch gerade jene, die diese Arbeit leisten, tragen oft eine schwere finanzielle Last, vor allem im Alter. Darauf macht die zurzeit laufende Kampagne zum Thema «Care-Arbeit» aufmerksam, an der sich 17 Organisationen und Parteien beteiligen, darunter die VU sowie die Frauenunion.
Reduzierter Erwerb
Das Hauptproblem ist, dass Sorge-Arbeit oft mit einer Reduktion des Erwerbseinkommens einhergeht, was langfristig zu erheblichen Nachteilen in der Altersvorsorge führt. Besonders betroffen sind Frauen, die nach wie vor den Grossteil dieser unbezahlten Arbeit übernehmen. Dadurch erwerben sie weniger Rentenansprüche und sind im Alter oft nicht ausreichend abgesichert. In einem fortschrittlichen Staat wie Liechtenstein darf es jedoch nicht sein, dass diejenigen, die unersetzliche Beiträge für die Gesellschaft leisten, einem erhöhten Risiko der Altersarmut ausgesetzt sind.
Ansätze sind da
Um diese Ungerechtigkeit zu beheben, müssen politische Lösungen gefunden werden. Eine Senkung der Eintrittsschwelle für Sozialversicherungen könnte Menschen mit niedrigen Arbeitspensen bzw. mehreren Teilzeitjobs besseren Zugang zur Altersvorsorge ermöglichen. Eine weitere Massnahme wäre der freiwillige Einbezug der unbezahlten Sorge-Arbeitenden in das Sozialversicherungssystem. Dies würde Care-Arbeitenden die Möglichkeit geben, durch freiwillige Beiträge Rentenansprüche zu erwerben – eine wichtige Absicherung, die das Sozialsystem revolutionieren könnte.
10 Milliarden Stunden
Um wirksame Massnahmen zu ergreifen, braucht es verlässliche Daten. Die Schweiz hat im Rahmen eines Gleichstellungsbarometers im Jahr 2021 den Wert der unbezahlten Sorge-Arbeit geschätzt und festgestellt, dass 2020 rund 9,8 Milliarden Stunden in der Schweiz unbezahlt gearbeitet wurden. Diese Arbeit wurde auf einen volkswirtschaftlichen Wert von 434 Milliarden Schweizer Franken geschätzt. Vergleichbare Statistiken fehlen jedoch in Liechtenstein. Dabei wäre es unerlässlich, auch bei uns den Ist-Zustand zu erfassen, um die Bedeutung der unbezahlten Sorge-Arbeit sichtbar zu machen und gezielte politische Massnahmen entwickeln zu können.
Es ist erfreulich zu sehen, dass immer mehr junge Männer bereit sind, aktiv Verantwortung in der Sorge-Arbeit zu übernehmen. Doch um dies zu fördern, sind klare politische Rahmenbedingungen erforderlich. Männer, die Teilzeit arbeiten, dürfen nicht mit Karriereeinbussen rechnen müssen – eine Forderung, die Frauen schon seit Jahren erheben. Hier bedarf es flexiblerer Arbeitsmodelle und einer Kultur, die die Vereinbarkeit von Familie und Beruf nicht nur als Frauensache betrachtet.
Anerkennung und Absicherhung verdient
Sorge-Arbeit ist ein gemeinschaftliches Gut, das die Gesellschaft zusammenhält. Es liegt in der Verantwortung von uns allen – Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft –, dafür zu sorgen, dass diese wertvolle Arbeit endlich die Anerkennung und Absicherung erhält, die sie verdient.
Der Vorstand der Frauenunion
Karin Beck, Isabella Heeb, Gabriela Hilti-Saleem, Corinne Indermaur-Wille, Selma Langthaler, Corrine Thöny-Gritsch
Trauriges Jubiläum: VU-Motion seit 5 Jahren unbeantwortet
Seit vielen Jahren setzt sich die VU für eine freie Wahl des Familienmodells und die bessere Anerkennung der Sorge-Arbeit ein. Im Gesellschaftsministerium scheint das aber kaum zu interessieren. Eine entsprechende Motion wird dort seit fünf Jahren auf die lange Bank geschoben. Leider beispielhaft für die Geringschätzung der Sorgearbeit.
Bereits mehrfach brachte die VU das Thema in den Landtag: Das Problem: Menschen, die Familien- und Erziehungsarbeit leisten, machen das in der Regel unbezahlt und können keine pensionskassenähnlichen Rücklagen für das Alter bilden. Dabei ist gerade Erziehung, Pflege und Betreuung in der eigenen Familie ein unverzichtbarer Teil unserer Kultur und unseres Zusammenhalts. 14 Abgeordnete hatten deshalb der VU-Motion «Stärkung der Familien- und Erziehungsarbeit» zugestimmt. Darin wurde die Regierung beauftragt, «dem Landtag ein Gesetz zur Beschlussfassung vorzulegen, das im Rahmen einer eigenständigen Lösung unabhängig der beruflichen Vorsorge, womöglich in Anlehnung an die Erziehungsgutschriften im Sinne des AHVG, Lücken in der Alters- und Risikovorsorge schliesst, die nachweislich durch das Erbringen von unbezahlter Familien- und Erziehungsarbeit entstanden sind».
Keine Bewegung
Im Mai 2024 liess dazu der FBP-Gesellschaftsminister ausrichten, dass das Thema in der Altersstrategie drinstehe aber nicht priorisiert werde. Leider zeigt hier das Gesellschaftsministerium damit, dass diese Menschen, meist Frauen, für ihre uneigennützigen Leistungen weiterhin durch die Finger schauen, wenn es um die Altersvorsorge geht.
VU bleibt dran!
Die VU und die Frauenunion akzeptieren dieses Verhalten nicht. Nur weil die Lösung nicht einfach anmutet eine Motion zu einem Papiertiger verkommen zu lassen ist die falsche Einstellung. Deshalb werden wir uns weiterhin dafür stark machen, dass dieses Thema priorisiert wird. Damit soll gewährleistet sein, dass Eltern, welche ihre Kinder nicht fremdbetreuen lassen oder Menschen, die ihre Familienangehörigen pflegen, nicht weiterhin finanzielle Nachteile im Alter in Kauf nehmen müssen.