Schleichende Altersarmut droht
Die langfristige Sanierung der AHV steht voraussichtlich im Herbst auf der Agenda. Wie verfolgt die Seniorenunion diese Entwicklung?
Johann Ott: Natürlich verfolgen wir die Entwicklungen mit Interesse. Wir hoffen, dass der Landtag tragfähige Lösungen findet. Was die AHV angeht, haben wir aber nicht nur langfristig, sondern auch kurz- und mittelfristig Handlungsbedarf. Man kann zwar annehmen, dass in unserem Land niemand Hunger leidet, weil zu wenig Geld da ist, aber dass jemand jedes Mal beim Geldbeutelziehen darüber nachdenken muss, ob es bis zum Monatsende und für noch offene Rechnungen reicht, diese Leute sind nicht so selten. Rentner die allein von der AHV leben, gehören sicher dazu.
Sie sprechen damit die Höhe der AHV-Renten an. Hier hat seit 2011 keine Anpassung mehr stattgefunden.
Die AHV ist als solidarische Grundsicherung in der Altersvorsorge die erste Säule, sichert also das Existenzminimum. Es gibt in unserem Land viele Rentner, die über keine Penionskasse verfügen. Diese Menschen sind von Altersarmut bedroht, da die Kosten stetig steigen, aber deren Einkommen immer gleich bleibt. Diese Entwicklung beobachten wir mit grosser Sorge.
Die VU-Fraktion hat zu diesem Thema eine Interpellation eingereicht und fordert seit mehreren Jahren eine Fortsetzung des Armutsberichts, um dem Problem auf den Grund zu gehen. Welche Beobachtungen macht die Seniorenunion in diesem Bereich?
Die europäische Zentralbank verfolgt seit vielen Jahren zur Förderung der Wirtschaft eine Tiefzinspolitik. Die Teuerung entwickelt sich in der Folge moderat aber stetig. Um das Sozialwerk der AHV zu schonen, hat Liechtenstein den Teuerungsausgleich für die AHV-Rente an eine prozentuale Mindestteuerung gebunden. Auf diese Weise sinkt das ausgezahlte Existenzminimum stetig in Relation zur Kaufkraft. Die Frage ist, wie lange diese Regelung noch gut geht, wenn das Einkommen der Betroffenen immer weniger lange ausreicht. Darum fragen wir uns: Wie weit müssen unsere Rentner ihre AHV in die Länge ziehen? Wie flexibel ist der Begriff «Existenzminimum»? Wie lässt sich das feststellen?
Ist es also angebracht, die Renten zu erhöhen?
In meinen jungen Berufsjahren habe ich in Österreich und in Deutschland gearbeitet und dort in die gesetzlichen Sozialversicherungen eingezahlt. Deshalb beziehe ich jetzt als Rentner von beiden Ländern kleine Renten. Beide Länder passen die Renten regelmässig an. Österreich hat diese seit 2011 um 20.65 Prozent und Deutschland seit 2012 um 24.46 Prozent erhöht. Auch in der Schweiz, wo andere Parameter zur Anwendung kommen, wurden die Renten in den letzten zehn Jahren moderat aber stetig erhöht. Unser Wirtschaftsraum unterscheidet sich nicht sehr von denen unserer Nachbarländer. Die Monate haben auch bei uns immer noch zwischen 28 und 31 Tage und nicht 24 und 25. Wen wundert’s, dass Ribel und Rösti in die Küchen zurückkehren? (mw)
Sparmassnahmen: Keine Anpassung der AHV-Renten seit 2011
Die letzte teuerungsbedingte Rentenanpassung erfolgte 2011. Die Rentenbeträge wurden danach durch den Landtag an den so genannten Konsumentenpreisindex gekoppelt. Die Regierung kann deshalb die Renten frühestens dann an die Teuerung anpassen, wenn dieser Konsumentenpreisindex den Wert von 103.4 Punkten (Basis Dezember 2015 = 100) übersteigt. Der aktuelle Wert liegt tiefer, nämlich bei 101.5 Punkten (Durchschnitt der Monate Januar bis Juni 2020). Die Regierung muss die Renten spätestens dann anpassen, wenn der Wert von 106.5 Punkte erreicht ist. Die Entwicklung des Konsumentenpreisindexes wird vom Amt für Statistik bekannt gegeben.
Anderer Modus in der Schweiz
In der Schweiz erfolgt die Erhöhung der AHV-Rente auf einer leicht modifizierten Grundlage: Der Bundesrat passt die Renten in der Regel alle zwei Jahre der Lohn- und Preisentwicklung an. Die Renten werden früher angeglichen, wenn die Teuerung innerhalb eines Jahres mehr als vier Prozent ausmacht. Die Anpassung erfolgt aufgrund des sogenannten Mischindexes, der dem Durchschnitt von Lohn- und Preisindex entspricht. Liechtenstein war im Zuge der Sparmassnahmen von dem Schweizer Modell abgerückt. Seit 2015 wird nicht mehr der Mischindex bei der Berechnung von gesetzlich vorgeschriebenen Rentenerhöhungen beigezogen, was letztlich die Zementierung der Renten auf das Niveau von 2011 zur Folge hatte.
Landtag könnte
Zu einer Erhöhung der AHV-Renten bräuchte es einen Landtagsbeschluss der Volksvertreter. Der Landtag kann nämlich durch Gesetzesänderung die Rente unabhängig von der Teuerung erhöhen. Der Regierung hingegen sind in dieser Frage die Hände gebunden.