Mit der Zwangsjacke zu 100% Bio?
Für mich ist die Anforderung einer Totalumstellung auf 100 % Bio in Liechtenstein nur auf den ersten Blick nachvollziehbar. Was als «gut gemeint» daherkommt, entpuppt sich am Ende als Ansatz zu einer Zwangswirtschaft. Auf der einen Seite ist das freie Unternehmertum in Liechtenstein ein hoher Wert. Auf der anderen Seite hat die Agrarpolitik in den letzten Jahrzehnten viel dafür getan, die Landwirte mit zahlreichen Liberalisierungsschritten dieser Entscheidungsfreiheit näherzubringen. Daher stünde eine angeordnete Umstellung der Liechtensteiner Landwirtschaft gegen den Zeitgeist.
Konsumenten bestimmen
Der Erfolg einer 100-prozentigen Umstellung hängt nicht nur von der Landwirtschaft ab. Schlüsselfaktor zum Erfolg eines Biolandes Liechtenstein wäre die Bereitschaft der Liechtensteiner Konsumenten, für Liechtensteiner Lebensmittel höhere Preise als bislang zu zahlen. In diesem Fall dürften die Konsumentinnen und Konsumenten kaum bereit sein, auf konventionell erzeugte Importware umzusteigen. Die Vorhersage des Preisniveaus ist dabei eine schwierige Fragestellung. Würden die Biopreise nach einer Totalumstellung stabil bleiben, würde das durchschnittliche landwirtschaftliche Einkommen steigen. Dies würde allerdings voraussetzen, dass die Konsumenten auf Bioprodukte und nicht auf importierte Lebensmittel umsteigen. Das umgekehrte Szenario wäre eine Verbraucherschaft, die nicht bereit ist, die heutigen Biopreise zu bezahlen, sondern eher auf Importware umsteigt. Dann würden die Biopreise auf das heutige Niveau der Landwirtschaft mit ökologischem Leistungsnachweis (ÖLN) fallen, was Einkommenseinbussen des Durchschnittsbetriebs zur Folge hätte.
Unterstützung lokaler Wirtschaft
Zudem ist die Nachfrage nach regionalen Produkten gegenüber der Nachfrage nach Bioprodukten stärker gestiegen. Ganz einfach weil regionale Produktion nachhaltiger ist. Konsumenten verbinden mit regionalen Lebensmitteln ein verbessertes Sortiment und Unterstützung für die lokale Wirtschaft - viele verbinden damit auch Engagement für die Umwelt. Dazu zählen die kurzen Transportwege der regionalen Produktion. Mit einer 100-prozentigen Umstellung auf Bio könnte diese Nachfrage im konventionellen Bereich nicht gedeckt werden.
Umstellung finanziell fordernd
Ein letzter aber nicht weniger wichtiger Punkt, der eine flächendeckende Umstellung sicher erschweren und für den Staat verteuern würde: Viele Umstellungsbetriebe, die zwar die gleichen Auflagen zu erfüllen hätten wie Biobetriebe, aber nicht in den Genuss der gleichen Preise kämen, würden ökonomisch an ihre Grenzen stossen. Es wird angenommen, dass der Staat bei einer flächendeckenden Umstellung diesen Nachteil der Umstellungsbetriebe in der entsprechenden Phase finanziell ausgleichen würde. Zudem profitiert der Biolandbau auch heute schon von höheren Direktzahlungen, was längerfristig bei einer Totalumstellung zu erheblichen staatlichen Mehraufwendungen führt.
Aus all den angeführten Gründen kann ich das Postulat, so toll es auch auf den ersten Blick aussieht, nicht befürworten.