Minister Pedrazzini zaudert, Patienten und Prämienzahler bezahlen
Die Wirkung der Kostenbremse «KVG-Revision» ist weitgehendst verpufft, die Prämien für die Krankenkassen steigen wieder. Das oberste Ziel im Gesundheitswesen, die patientenorientierte und integrierte Versorgung, wurde nicht «Top down» mit den nötigen gesetzlichen Voraussetzungen ausgestattet. Dabei hätte der Gesellschaftsminister Zeit gehabt, dem entgegenzuwirken. Denn die VU hat vorausschauend mit einer massvollen Erhöhung des OKP-Staatsbeitrags eine kurzfristige Prämienbremse gesetzt. Bezeichnend: Bis auf einen Abgeordneten wurde die moderate Erhöhung des OKP-Beitrags von der FBP-Fraktion mit Aversion torpediert. Ein riesiger Blumenstrauss an möglichen Massnahmen wurde in der Seminarreihe «Weiterentwicklung des liechtensteinischen Gesundheitswesens» von zahlreichen Akteuren des Gesundheitswesens im Jahre 2018 zur Effizienz- und Qualitätssteigerung vorgeschlagen. Meine Kleine Anfrage dazu wurde letzte Woche von Regierungsrat Dr. Mauro Pedrazzini dahingehend beantwortet: «Die Kommission wird ihre Arbeit dazu in Kürze aufnehmen. Details zu einzelnen Lösungsansätzen liegen noch nicht vor.» Ist das nicht frustrierend? Die Anliegen wurden offenbar einfach auf die lange Bank geschoben.
Durch die Verzögerung wird wertvolle Zeit verloren, es entstehen höhere Kosten in der Zukunft und es werden Versorgungsengpässe in Kauf genommen. Stattdessen verstecken sich die Verantwortlichen hinter Tarmed und höherer Kostenbeteiligung, die zwar einen «Quick Win» brachten, aber nur bedingt nachhaltig wirken. Kranke müssen nun tiefer in die Tasche greifen. Auch darf nicht ausgeblendet werden, dass vermutlich gewisse notwendige Behandlungen, welche aus medizinischer Sicht notwendig wären, aus finanziellen Gründen nicht in Anspruch genommen, verschleppt und sogar verschlimmert, werden.
Durch die Fokussierung auf die Sparmassnahmen erging es den Handelnden im Gesundheitswesen wie den Waldarbeitern, die mit grossem Einsatz, Herzblut und einer stumpfen Handsäge Bäume fällten, weil sich der Waldbesitzer die Kosten für das Schärfen eingespart hat. Was wäre mit einer geschärften Motorsäge und einer gemeinsamen Strategie alles möglich?
Der wirtschaftlich positive Trend zur ambulanten Behandlung wird auch künftig anhalten. Die nackten Zahlen von ambulant und stationär zu vergleichen, ist jedoch unfachmännisch. Die Kostenwahrheit liegt im Gesamtprozess und somit auch in den nachgelagerten Prozessen. Hinzu kommt, dass eine Entlastung für den Prämienzahler mit diesem Prinzip nicht garantiert ist, weil die staatliche Kostenbeteiligung des Staates von 55 % an den stationären Fällen wegfällt. Das heisst, der Staat wird durch die Verschiebung entlastet, die Krankenkassen und somit die Versicherten erwartet eine Mehrbelastung.
Die Belegung der Pflegeheime wird wieder ansteigen, obwohl häusliche Betreuung und 24-h-Betreuung in letzter Zeit entgegenwirkten. Die EU-Arbeitszeitrichtlinie, zukünftige Qualitätskriterien und der politische Druck werden den Markt neu regeln. Die daraus entstehenden Themen Langzeitpflege und altersbedingte Krankheiten führen in den nächsten Jahren zu erheblichen Mehrkosten, wenn wir weiter zusehen. Die Kostensteigerung des demografischen Wandels und des technischen Fortschritts kann nicht allein auf den Buckel der Prämienzahler abgewälzt werden. Die Bürger leisten bereits jetzt, mit der Kostenbeteiligung (Franchise und Selbstbehalt) von rund 21 Millionen Franken, einen fast doppelten so hohen Anteil wie noch vor vier Jahren. Mit der zielgerichteten Ausweitung der Prämienverbilligung konnten wenigstens die Bedürftigen vor der Gesundheitskostenlawine geschützt werden.
Wir brauchen weitere zielgerichtete Massnahmen, um den drohenden Problemen im Gesundheitswesen Herr zu werden und die Kosten leistbar zu halten. Dazu brauchen wir alle in einem gut koordinierten Verbund von Akteuren im Gesundheitswesen, die zum Wohle der Patienten gemeinsam wirken. Durch die Corona-Krise wird uns bewusst, dass wir nur eine Gesundheit besitzen. Deshalb lasst uns gemeinsam für die Gesundheit und gegen den Missbrauch/Verschwendung kämpfen.