Immer sind die Anderen schuld
«Ein Fingerzeig auf die Medien, ein Bedauern über die veränderte Parteienlandschaft, ein Vermissen des offenbar nicht mehr vorhandenen ‹Koalitionsmodells in schwierigen Jahren› und ein Plädoyer für mehr Miteinander», fasste das «Vaterland» die PR-Veranstaltung des Regierungschefs am vergangenen Mittwoch zusammen.
Alle anderen sind schuld
Der Artikel im «Volksblatt» steigt ein mit dem Thema der Zersplitterung der Parteienlandschaft und der «Profilierungssucht», die um sich greift. Alles in allem ein trauriges Bild, das an dieser Veranstaltung des Regierungschefs transportiert wird. Und alle sind irgendwie ein bisschen schuld daran – ausser ihm. Offensichtlich ist nicht klar, dass man als Regierungschef die Hauptverantwortung dafür trägt, wie die Stimmung im Land ist. Stattdessen schlüpft Hasler in die Opferrolle und gibt allen anderen die Schuld an der schlechten Stimmung. Da braucht man sich nicht wundern, warum die Stimmung nicht besser ist. Zumal die Betrachtungen des obersten Ministers dann doch zu denken geben: «Der Regierungschef betonte zudem, dass der einzelne Bürger von den Sparpaketen relativ wenig zu spüren bekam», erklärt der «Volksblatt»-Artikel.
Da verwundert es nicht, dass man eine Politik ortet, die bürgerfern und bürokratisch agiert. Da wundert es nicht, warum Protestparteien Zulauf erhalten und die Bürger das Gefühl bekommen, ihre Anliegen würden nicht ernst genommen. Krankenkassenprämien, AHV und ALV-Beiträge steigen, Rentenerhöhungen gibt es nicht. Auch da wird die Verantwortung mit dem Verweis auf die «Unabhängigkeit» der AHV abgeschoben. Wofür gibt es denn Politiker, wenn sie am Ende doch nichts für die Menschen tun können?
Den Umständen ausgeliefert
Im «Volksblatt» wird dann auch bekräftigt, dass das Land sich in der Geiselhaft der Wirtschaft befindet: Läuft die Wirtschaft gut, schreibt der Staat satte Gewinne. Geht es weniger gut, dann wird auf das betriebliche Defizit verwiesen. Ausgaben sind deshalb tabu – darum verteufelt Hasler auch bei jeder Gelegenheit das VU-Bürgerpaket. Immerhin: Ein paar Milliönchen in die Bildung (Schulbauten, Tablets und Laptops) und in die Kultur (Landesbibliothek) soll es geben. Statt Entlastungen für den Mittelstand gibt es aber zig neue Stellen beim Staat.
Dass sich Bürger über die Politik entrüsten und Protestparteien wählen, liegt wohl daran, dass sie nicht erkennen, dass Politik für sie gemacht wird. Und dass sie erkennen, dass es um sie geht, liegt nicht zuletzt auch in der Verantwortung des Regierungschefs. Denn ein guter Chef delegiert zwar – aber niemals die Verantwortung!
Zurück zu guter Politik
Wollen wir die Politik und die Führung des Landes wieder mit einem positiveren Grundton gestalten, dann müssen wir zur Tugend zurückkehren und Politik in erster Linie für die Menschen im Land machen – und nicht nur für einzelne Lobbygruppen. Ausserdem müssen Politiker aufhören zu jammern, wie schwierig denn die Situation ist, in der man steckt, weil «die politischen Themen komplexer geworden» sind.
Politiker werden gewählt, um diese Komplexität zu beseitigen. Um mit Empathie und Bürgernähe Lösungen für komplexe Probleme herzustellen. Um Interessen auszugleichen und die verschiedenen Player im Land zusammen zu den besten Ergebnissen zu führen. Politiker bekommen Macht, damit sie zum Wohle der Menschen etwas bewegen.
Wenn sie das nicht schaffen, dann werden sie in einer Demokratie früher oder später nicht mehr gewählt. So einfach ist es in der Politik.
Michael Winkler