Gunilla Marxer-Kranz: «Wir treten als Kandidaten für den Landtag an und nicht als Präsidentschaftskandidat.»
Wie fällt Ihr persönliches Fazit als Landtagsvizepräsidentin über die abgelaufene Legislaturperiode aus?
Gunilla Marxer-Kranz: Mein persönliches Fazit der letzten vier Jahre ist durchaus positiv. Ich habe in dieser Zeit sehr wertvolle Erfahrungen machen dürfen und vieles gelernt, sei dies in persönlicher wie auch in sachlicher Hinsicht. Wir konnten einige wichtige Infrastrukturprojekte auf den Weg schicken. Und auch das sofortige und unbürokratische Handeln bei den Massnahmenpaketen zur Abfederung der wirtschaftlichen Folgen des Coronavirus war sehr wichtig. Das Amt als Landtagsvizepräsidentin, welches ich verdankenswerterweise von Violanda Lanter übernehmen durfte, hat mich geprägt und ich möchte es keinesfalls missen.
Praktisch alle abtretenden Abgeordneten haben kritisiert, dass sich der Landtag in den letzten vier Jahren zu viel mit sich selbst beschäftigt hat. Wie sehen Sie das?
Ja, dies muss ich leider auch so bestätigen. Wir wurden aber auch aufgrund fehlender rechtlicher Grundlagen geradezu gezwungen, uns mit Querelen in anderen Parteien, die ihre Probleme in den Landtag trugen, auseinanderzusetzen. Da weder unsere Verfassung noch das Volksrechtegesetz oder die Geschäftsordnung des Landtages eine explizite Regelung im Falle eines Parteiaustritts und Wiedereintritts, wie bei Johannes Kaiser, oder Parteispaltungen, wie bei DU und DpL, vorsieht, mussten gezwungenermassen entsprechende Lösungen gesucht werden. Das Aussenbild des Landtags, welches hierdurch in der Bevölkerung entstanden ist, hat dadurch natürlich immens gelitten und es war leider definitiv keine gute Werbung für die Volksvertretung.
Bräuchte es nicht dringend Reformen, damit die Sitzungen straffer ablaufen können und der Landtag an Attraktivität für die Zuhörerinnen und Zuhörer gewinnt?
Ob eine Straffung der Landtagssitzungen die Einschaltquoten erhöhen würde, lässt sich so einfach nicht sagen. Eine Redezeitbeschränkung erachte ich aus demokratischen Überlegungen als nicht haltbar. Jedoch sollte sich jede/r Abgeordnete fragen, ob nicht gerade die Prägnanz in seinen Voten wesentlich für eine wirksame Kommunikation ist. Letztlich ist es doch gerade eine Kunst, mit wenigen Worten, ohne Detailverliebtheit oder penetranter Redundanz, seine Meinung kundzutun. Meines Erachtens braucht es keine Reformen, sondern es braucht eine gute, straffe Führung des Landtagspräsidenten bzw. der Präsidentin und eine entsprechende Disziplin der Abgeordneten selber.
Wie war aus Ihrer Sicht die Zusammenarbeit mit der Regierung? Gibt es hier Verbesserungspotenzial?
Gemäss Verfassung ist es Aufgabe des Landtags, nach den Bestimmungen der Verfassung die Rechte und Interessen des Volkes im Verhältnis zur Regierung wahrzunehmen und geltend zu machen. Somit sind Differenzen wohl unumgänglich. Letztlich gilt es aber gemeinsam an einem Strick zu ziehen und zum Wohle der Bevölkerung die bestmöglichen Lösungen zu finden. Eigene Befindlichkeiten gilt es dabei hintanzustellen. Auch wenn ich nicht immer einig war mit den Ansichten seitens der Regierung, habe ich die Zusammenarbeit mit allen Regierungsmitgliedern zumeist wertgeschätzt. Meine direkten Anfragen per E-Mail oder Telefon an Regierungsmitglieder wurden von allen immer zeitnah beantwortet, wofür ich mich an dieser Stelle gerne einmal bedanken möchte.
Sollte die VU die Wahlen gewinnen, wären Sie dann die nächste bzw. erste Landtagspräsidentin Liechtensteins?
Ich würde mir nicht anmassen, diese Frage mit einem Ja zu beantworten. Ein Landtagspräsident, bzw. eine Landtagspräsidentin, wird bekanntlich vom Landtag gewählt, somit also von den neu gewählten 25 Abgeordneten. Wir treten ja als Kandidaten für den Landtag an und nicht als Präsidentschaftskandidat. Man sollte also zuerst zwingend bereit sein und auch die Absicht haben, die Arbeit eines «normalen» Abgeordneten zu machen und sich nicht lediglich in der Rolle des Staatsmanns bzw. -frau zu gefallen. Und natürlich hoffe ich auf das Vertrauen der Wählerinnen und Wähler, um erneut im Landtag Einsitz nehmen zu dürfen. Wie bereits ausgeführt, möchte ich die Zeit als Landtagsvizepräsidentin nicht missen. Wenn sich die Frage, ob ich bereit bin, die erste Landtagspräsidentin zu werden, aufgrund des Wahlausgangs stellt, würde ich sie aus heutiger Sicht mit Ja beantworten. Das hinge aber letztlich auch vom für mich wichtigsten Punkt ab, nämlich das Vertrauen des neuen Landtags zu erhalten, denn schliesslich möchte ich eine Präsidentin des Landtags und nicht nur der Partei sein.