«Führen in der Krise»
Seit im März die Corona-Pandemie das gesellschaftliche Leben in Europa durch einschneidende Massnahmen nicht mehr wiederzuerkennen ist, sieht sich auch Liechtensteins Regierung vor neuen Herausforderungen. Nach den ersten Wochen, in denen in den Ministerien von Regierungschef-Stellvertreter Daniel Risch und Regierungsrätin Dominique Hasler viele Entscheide vorbereitet und umgesetzt wurden, traf sich Parteipräsident Günter Fritz mit den beiden VU Spitzenpolitikern zu einem Hintergrundgespräch.
Die letzten Wochen werden Sie beide so schnell wohl nicht vergessen. Wie geht es Euch im Moment und was beschäftigt Euch am meisten?
Daniel Risch: Es ist schon in normalen Zeiten eine verantwortungsvolle Aufgabe, sich in der Regierung eines Landes für das Wohl der Bevölkerung und der Wirtschaft einsetzen zu dürfen. In Krisenzeiten zeigt sich erst recht, welche Verantwortung man hat. Es ist für mich aber auch tagtäglich der Antrieb, in dieser schweren Zeit das Beste für unser Land zu geben und gemeinsam im Regierungskollegium die richtigen Entscheide zu fällen. Mehr noch als in normalen Zeiten, steht die Kommunikation der Entscheide im Zentrum. Alles zu sagen, was man weiss und auch zu sagen, was man aktuell noch nicht weiss.
Dominique Hasler: Ich werde derzeit immer wieder gefragt, ob die Belastung nicht enorm hoch ist – nicht zuletzt infolge der Schulschliessungen und der damit verbundenen riesigen Herausfor- derung, für die über 4800 Schulkinder, deren Eltern und über 760 Lehrpersonen Lösungen zu finden. Ich muss zugeben, dass ich manchmal in der Nacht erwacht bin und mir für einen kurzen Moment vorkam, alles nur geträumt zu haben. In der Realität erhalte ich derzeit täglich Rückmeldungen aus der Bevölkerung, von Eltern, Lehrpersonen bis hin zu Zeichnungen von Schülerinnen oder Schülern, bei denen man den Zusammenhalt spürt, von dem man in solchen Zeiten auch getragen wird.
Immer wieder hört man auch kritische Stimmen, so bspw. dass die Massnahmen überzogen wären oder dass die wirtschaftliche Hilfe nicht oder zu spät komme. Wie gehen Sie in dieser Zeit mit Kritik um?
Dominique Hasler: Kritische Stimmen gehören zur Politik. Ich denke, ich spreche für den Regierungschef-Stellvertreter wie für mich, wenn ich sage, dass uns der Einbezug der Menschen und insbesondere auch der kritischen Stimmen, sehr wichtig ist. Und ich habe des Öfteren betont, dass wir unsere Entscheide – wenn sie auch kurzfristig getroffen werden müssen – nie leichtfertig und unter Abwägung aller verfügbaren Informationen fällen. In Krisen führen bedeutet, dass man nicht in Problemen, sondern in Lösungen denkt und handelt.
Daniel Risch: Dass in Krisenzeiten gleichzeitig der Zusammenhalt wie auch die Kritik wächst, ist – denke ich – ganz normal. Es ist mir auch wichtig, mir Zeit für die kritischen und gerade auch für die leisen Stimmen zu nehmen. Denn nur wenn wir zuhören, können wir bessere Lösungen finden. Es gehört aber auch dazu, Entscheidungen im Sinne des Landes zu fällen und diese umzusetzen. Unsere Entscheide müssen für möglichst viele Menschen in Liechtenstein gute Lösungen hervorbringen – Entscheide zu fällen, die für alle die beste Lösung darstellen, ist wünschenswert, aber nicht realisierbar.
Sieht die Entscheidungsfindung in diesen Zeiten anders aus als sonst?
Daniel Risch: Der Weg, wie wir zu Entscheiden kommen, ist auch in diesen Zeiten der gleiche. Wir versuchen die Probleme zu verstehen, verschiedene Lösungsvarianten zu prüfen und die unter Abwägung der verschiedenen Vor- und Nachteile zu entscheiden. Allerdings geht aktuell alles etwas schneller. An dieser Stelle möchte ich mich auch bei den Menschen bedanken, die bei uns im Hintergrund arbeiten – den Teams in den Ministerien und Ämtern, die in diesen Zeiten wirklich Unglaubliches leisten. Man darf nicht vergessen, dass unser Staatsapparat im Unterschied zu anderen Ländern viel kleiner ist und Mitarbeitende, die sich jetzt bspw. um das Massnahmenpaket Wirtschaft kümmern, sonst auch ganz andere Aufgabenbereiche haben. Dass wir trotzdem so rasch und zielgerichtet vorwärtskommen, spricht für eine schlagkräftige Verwaltung.
Dominique Hasler: Ich schliesse mich dem Dank des Regierungschef-Stellvertreters gerne an. Es ist wirklich beeindruckend, was unsere Teams aktuell leisten. Ohne unsere grossartigen Teams wäre die Bewältigung einer Krise nicht möglich. Ich möchte aber auch die grundsätzlich sehr gute Zusammenarbeit zwischen den Ministerien und auch mit dem Landtag hervorheben. Es zeigt sich, dass in dieser Krise die verschiedenen Institutionen und auch Organisationen zusammenstehen. Gelebte Solidarität, von der ich mir wünsche, dass wir vieles davon in die Zeit nach der Corona-Pandemie retten können.
Frau Regierungsrätin, als Innenministerin sind Sie auch für die Sicherheit verantwortlich. Eine gute Abstimmung mit der Schweiz dürfte im Bereich des Bevölkerungsschutzes und der inneren Sicherheit von grosser Bedeutung sein…
Dominique Hasler: Wir sind der Schweiz sehr dankbar für die enge Zusammenarbeit und Unterstützung in dieser Krisenzeit. Wir hoffen nicht, dass wir auf den bereits gemeinsam vorbereiteten Armeeeinsatz mit 16 Sanitätssoldaten zurückgreifen müssen, sind aber froh, wenn wir im Notfall darauf zählen dürfen. Was die innere Sicherheit und den Bevölkerungsschutz betrifft, so ist es für mich sehr beeindruckend, was unsere Samaritervereine und Feuerwehren, all unsere nationalen Rettungs- und Hilfsorganisationen, die Führungsorganisationen der Gemeinden, das Landesspital, die LAK, die Familienhilfe, die Gemeinde- und Landespolizei und alle weiteren Beteiligten im Gesundheitswesen in enger Koordination untereinander leisten. Wir erleben derzeit in den unterschiedlichsten Bereichen historische Teamleistungen.
Herr Regierungschef-Stellvertreter, mit der gestern verkündeten Lockerung der Massnahmen keimt die Hoffnung auf die Rückkehr in eine «neue Normalität». Was werden wir aus der Krise mitnehmen können?
Daniel Risch: Unser oberstes Ziel ist nach wie vor die Gesundheit unserer Bevölkerung. Ich bin davon überzeugt, dass wir mit unserem geordneten Corona-Exit einen vernünftigen und verantwortungsvollen Weg wählen, um mit möglichst wenig Rückschlägen in eine Normalität zu finden, in welcher wir jedoch noch eine Zeit lang mit dem Coronavirus leben müssen. Auch wenn mir sehr bewusst ist, wie hart diese Krise die Menschen und die Wirtschaft trifft, gibt es für mich in der Tat auch positive Aspekte. Was mich in all diesen Wochen des Krisenmanagements immer wieder beeindruckt hat, ist die unglaubliche Solidarität, die von Regierungsrätin Hasler bereits erwähnt wurde und die wir tagtäglich in vielfacher Weise erleben dürfen. Wenn es uns gelingt, diese Solidarität und den Zusammenhalt in der Bevölkerung nach dem Leitspruch «Liechtenstein braucht uns alle» in die Zeit nach Corona mitzunehmen, dann dürfen wir diese Krise auch als Chance sehen.