Fraktionserklärung der Vaterländischen Union zum Brexit
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Frauen und Herren Abgeordnete.
Im Namen der Landtagsfraktion der Vaterländischen Union verlese ich gerne folgende Fraktionserklärung:
Wir bedanken uns bei der Regierung sowie den zuständigen Stellen für den vorliegenden Bericht und Antrag betreffend den Austritt des Vereinigten Königreichs Grossbritannien und Nordirland aus der Europäischen Union und dem EWR-Abkommen.
Bisher kannte der europäische Integrationsprozess nur eine Richtung: Immer mehr Staaten haben unter dem institutionellen Dach der EU immer mehr Kompetenzen in immer mehr Politikfeldern geteilt. In diesem Prozess markiert der Brexit – also der Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU – eine sichtbare Zäsur.
Mit dem Brexit verlässt das Vereinigte Königreich nicht nur die EU, sondern gleichzeitig auch den Europäischen Wirtschaftsraum, der neben den EU-Staaten die EFTA-Staaten Island, Norwegen und Liechtenstein umfasst. Seit fast 25 Jahren bildet dieser die Grundlage für die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Liechtenstein und dem Vereinigten Königreich.
Als Mitgliedsland des EWR müssen wir uns der Frage stellen, wie es zu dieser Entscheidung der Briten kam. Aus Sicht der Landtagsfraktion der Vaterländischen Union müssen sich die europäischen Institutionen mehr denn je Gedanken darüber machen, wie sie solche Schritte ihrer Mitglieder verhindern können. Institutionelle Reformen müssen garantieren, dass Bürger nicht von Technokratie dominiert werden und sich überfahren vorkommen. Die europäischen Institutionen müssen sich so reformieren, dass Prozesse demokratisch legitimiert werden. Nur die Demokratie kann das Projekt und die Idee eines gemeinsamen und friedlichen Europas am Ende retten. Ansonsten werden sich Mehrheiten dagegen bilden, wie das im Vereinigten Königreich der Fall war.
Mit dem Austritt von UK ist es nicht länger Teil des räumlichen Geltungsbereichs des EWR und damit nicht mehr Vertragspartei des EWR-Abkommens.
Gestützt auf das EWR-Abkommen verfügen liechtensteinische Bürgerinnen und Bürger über zahlreiche Rechte, auf die sie sich in allen EU-Staaten gleichermassen berufen können. Umgekehrt verfügen Bürgerinnen und Bürger aus UK über zahlreiche Rechte in Liechtenstein.
UK ist die zweitgrösste Volkwirtschaft im EWR. Vor diesem Hintergrund überrascht es nicht, dass UK auch für Liechtenstein einen bedeutenden Handelspartner darstellt. Gemäss der liechtensteinischen Aussenhandelsstatistik ist UK sowohl für die Warenexporte als auch Warenimporte einer der wichtigsten Partner, wobei in dieser Statistik die Schweiz nicht mitgezählt wird. Die Warenexporte nach UK machten im 2018 2.3 % der gesamten Warenexporte Liechtensteins aus. Bei den Warenimporten betrug der Anteil 1.7 %. Sowohl Liechtenstein als auch UK profitierten von der engen wirtschaftlichen Verflechtung über den EWR. Daneben sind auch die gesellschaftspolitischen Beziehungen zwischen UK und Liechtenstein wichtig. So leben ungefähr 100 Liechtensteinerinnen und Liechtensteiner in UK. Ausserdem ist UK eines der beliebtesten Länder durch Erasmus+ geförderte Mobilität und Projektpartnerschaften.
Mit dem Brexit verringert sich die Anzahl der EWR-Staaten. Das EWR-Abkommen bleibt für Liechtenstein indes von zentraler Bedeutung, um den Zugang zum europäischen Binnenmarkt zu sichern. Das übergeordnete Ziel der liechtensteinischen Strategie ist, dass der Brexit das gute Funktionieren des EWR nicht gefährden darf.
Auch haben verschiedene Staatsangehörige und Unternehmen Liechtensteins durch die EWR-Mitgliedschaft in UK gewisse Rechte erworben. Diese gilt es durch das Austrittsabkommen zu schützen und zu sichern, damit der Brexit sich nicht negativ auf bereits getroffene Lebensentscheidungen auswirkt und die Personen ihre Existenzgrundlage verlieren würden. Dadurch soll ausserdem verhindert werden, dass eine unterschiedliche Behandlung von EU-Staatsangehörigen und EWR/EFTA-Staatsangehörigen entsteht. Das vorliegende Austrittsabkommen zwischen den EWR/EFTA-Staaten und UK erfüllt diese Forderung, wonach die liechtensteinischen Staatsangehörigen, die bereits in UK leben, weitgehend die gleichen Rechte haben wie bisher. Dazu gehören neben dem Aufenthaltsrecht, auch die Ansprüche auf Sozialversicherung und die Anerkennung von beruflichen Qualifikationen.
Es ist zu begrüssen, dass die spezielle liechtensteinische Lösung beim Personenverkehr gewahrt bleibt.
Bis Ende 2020 bleibt nun UK im Binnenmarkt, allerdings ohne Mitspracherechte. In dieser Zeit soll ein Abkommen über die künftigen Beziehungen ausgehandelt werden. Der Übergangszeitraum kann einmalig um ein oder zwei Jahre verlängert werden. Es ist von grosser Wichtigkeit, dass sich während des Übergangszeitraums für die betroffenen Bürger und Unternehmen nichts ändert.
Mit der Gesetzesvorlage wird für den Rechtsanwendenden klargestellt, dass UK während des Übergangszeitraums im liechtensteinischen Recht weiter als EWR- bzw. EU-Mitgliedstaat gilt. Der Übergangszeitraum ist auch im Interesse Liechtensteins. Er gibt der Regierung Zeit, die zukünftigen Beziehungen mit UK zu verhandeln und der Verwaltung und Unternehmen, sich auf die neuen Regelungen vorzubereiten.
Für die VU-Landtagsfraktion ist es wichtig, dass bei weiteren Verfahren und Verhandlungen im Zusammenhang mit dem Brexit die Interessen von liechtensteinischen Staatsangehörigen und Unternehmen gewahrt bleiben und es in Zukunft zu keinen Nachteilen im Vergleich zu unseren wichtigsten Handelspartnern kommt.
Die Fraktion der Vaterländischen Union wird dem Antrag der Regierung ihre Zustimmung erteilen.