Es menschelt überall – auch in der Politik
Seit mehr als einer Woche heisst es nicht mehr Regierungschef-Stellvertreter, sondern Regierungschef Daniel Risch. Was hat sich für Sie verändert?
Daniel Risch: Auf der einen Seite viel. Man hat nun andere Zuständigkeiten. Als Regierungschef bin ich nun quasi komplett in der Verantwortung. Aber das beginnt man erst langsam zu spüren.
Und auf der anderen Seite?
Auf der anderen Seite bleibt vieles bestehen. Es ist der gleiche Arbeitsort, das gleiche Arbeitsumfeld, und man hat mit fast den gleichen Leuten zu tun. Darum hat es beides: viel Bekanntes und viel Neues.
Das neue Regierungsteam hatte bereits seine ersten Arbeitssitzungen. Wie funktioniert das Miteinander?
Am Dienstagvormittag trafen wir uns das erste Mal im neuen Regierungssitzungszimmer. Wir haben schon die ersten Berichte und Anträge besprochen und für den Mai-Landtag verabschiedet. Und ich denke, die Chemie stimmt.
Apropos Sitzungszimmer: In diesem Raum vor dem Balkon hat traditionell der Regierungschef sein Büro. Sie richteten stattdessen ein Sitzungszimmer ein. Warum verzichtet man auf ein grösseres Büro?
Ich war immer schon ein Teamplayer – das Miteinander ist mir besonders wichtig. Und in unserem Kollegialsystem entscheidet die Regierung gemeinsam als Gremium. Darum wollte ich, dass wir als Regierung den zentralen Raum bekommen, in dem wir uns treffen und austauschen. Ein gemeinsamer Raum, der auch die Zusammenarbeit im Gebäude etwas auffrischen soll.
Das Gemeinsame schreiben Sie gross auf Ihre Agenda. Das Land soll stärker zum «Team Liechtenstein» zusammenwachsen. Was ist darunter zu verstehen?
Ich nehme immer häufiger wahr, dass es Leute bei uns im Land gibt, die denken, die Wirtschaft kocht ihr eigenes Süppchen, die Politik macht ihr eigenes Ding – und ich selbst gehöre hier gar nicht dazu, der Bereich Wirtschaft oder Politik betrifft mich nicht. Genau diese Sichtweise muss sich ändern. Die gut 20 000 Stimmbürger, die 40 000 Einwohner und der fast 60 000 Personen umfassende Wirtschaftsstandort – diese drei Bereiche gehören zusammen. Wenn wir es schaffen, hier eine gemeinsame Identität zu formen, dann ist schon vieles gewonnen.
Fehlte es in den letzten Jahren an «Team Liechtenstein»?
Ich denke, ja. In den letzten Jahren war das Land eher von einem Gegeneinander geprägt. In der Sparphase ist es vielleicht auch schwierig, Gemeinsamkeiten zu finden. Aber die Pandemie könnte ein Startpunkt sein für eine gemeinsame Diskussion, wohin wir unser Land entwickeln möchten.
Nochmals zu Ihrem Büro: Sind Sie schon eingerichtet?
Ich habe bereits vieles vom Inventar meines alten Büros ein Zimmer weiter in mein neues Büro im zweiten Stock gezügelt. Und die Sachen passen auch ins neue Zimmer sehr gut hinein. Aber ganz komplett ist es noch nicht.
Was darf im Büro von Daniel Risch nicht fehlen?
Mir war wichtig, im Büro Gegenstände aus Liechtenstein zu haben. Ich habe zum Beispiel ein Relief von Liechtenstein, das im 3-D-Druckverfahren entstand. Das Relief zeigt natürlich einerseits unser Land, andererseits wurde es von einer hiesigen Firma hergestellt und entstand während einer der letzten Lihga-Ausstellungen. Es steht damit in mehrfacher Verbindung mit Liechtenstein. Ich will das Land ins Büro reinnehmen, damit man auch jeden Tag sieht, für was man arbeitet.
2017 traten Sie und Dominique Hasler als Neulinge in die Regierung ein. Jetzt sind Sie die Erfahrenen und zu Ihnen stossen drei neue Regierungsräte hinzu. Wie nehmen Sie den Konstellationswechsel wahr?
Dominique und ich kamen damals 2017 wirklich von aussen. Wir kannten weder die Politik noch die Verwaltung aus der Nähe. Die drei neuen Regierungsräte kennen hingegen den Verwaltungsbetrieb und zum Teil auch bereits den Regierungsbetrieb. Darum war für Dominique und mich vor vier Jahren der Sprung etwas grösser. Aber der Start der neuen Regierungsräte gestaltet sich wegen Corona dennoch besonders.
Inwiefern?
Inhaltlich ist die Bewältigung der Coronapandemie natürlich omnipräsent und die Einschränkungen bezüglich sozialen Kontakten, Maskentragen und so weiter sind für das Kennenlernen von neuen Mitarbeitenden oder Amtsstellenleitern auch nicht besonders förderlich.
Können Sie Ihre bisherigen Ressorts mit gutem Gewissen abgeben? Wurden alle Ziele erreicht?
Alle Ziele hat man nie erreicht. Aber im Infrastrukturbereich befinden sich viele Bauprojekte in der Umsetzung, und im Tiefbau wurde mit dem Mobilitätskonzept mehr als ein Wegweiser gesetzt. Die Weichen sind gestellt. Im Ressort Wirtschaft läuft mit sieben Staatsbetrieben immer etwas. Aber bei der Übergabe konnte ich sagen, dass mittlerweile doch bei allen Betrieben mehr oder weniger Ruhe eingekehrt ist.
Und das Ressort Sport?
Hier konnte die ganze Sportförderung neu aufgestellt werden. Das funktioniert bisher reibungslos – darum wird es wohl auch kaum wahrgenommen. Und die ganzen Erfolge der Sportler freuen einen als Sportminister vielleicht noch etwas mehr, obwohl man fast gar nichts dafür kann. (lacht)
Bei welchem Entscheid, den Sie in der letzten Legislatur trafen, hatten Sie die grössten Zweifel?
Zweifel und kritische Reflexion gehören immer dazu. Man läuft nicht ins Regierungsgebäude und denkt sich: «Alles, was ich mache, ist richtig.» Was wichtig ist, ist die Bereitschaft, Entscheide zu korrigieren, wenn man merkt, dass sie nicht richtig waren. Die Coronapandemie war in dieser Hinsicht jedoch besonders.
Weshalb?
Weil man die Effekte von Entscheidungen viel schneller sah. Bei anderen Beschlüssen dauert es meistens ein paar Jahre, bis auffällt, dass man irgendwo falsch abgebogen ist und korrigiert werden muss. Anders während Corona. Wenn wir entscheiden, die Gastronomie wieder zu öffnen und drei Wochen später schliessen wir sie wieder, dann weiss man: Wir haben einen Fehler gemacht. Diese Unmittelbarkeit kennt man in der Politik sonst nicht.
Was ging Ihnen durch den Kopf, als am Wahlabend das erste Gesamtresultat kam und die VU mit 23 Parteistimmen führte?
Bevor ich die 23 Stimmen sah, habe ich kurz das Resultat von Schaan gesehen. In diesem Moment war ich fast überzeugt, dass es nicht gereicht hat. Erst als die Person neben mir sagte, dass wir 23 Stimmen voraus sind, dachte ich mir: «Vielleicht hat es doch gereicht.» Aber es war klar, dass wir noch warten müssen, bis alles amtlich ist. Und dass es aufgrund des knappen Wahlresultats zu intensiven Verhandlungen kommen wird, war anzunehmen.
Neu haben wir die besondere Konstellation, dass die VU den Regierungschef stellt und die FBP den Landtagspräsidenten. Wird dies die Zusammenarbeit zwischen Regierung und Landtag beeinflussen?
Ich denke, dass für die Zusammenarbeit zwischen Landtag und Regierung nicht unbedingt so entscheidend ist, welche Partei in der jeweiligen Institution den Vorsitz führt. Denn in den letzten vier Jahren haben wir in der Regierung die Entscheide in den allermeisten Themen einvernehmlich getroffen. Es kam auch nicht vor, dass die zwei «roten» Regierungsräte eine Sitzung gesprengt hätten, was theoretisch möglich wäre. Und im Landtag gilt das freie Mandat. Insofern verlaufen die Abstimmungen auch in den seltensten Fällen entlang von Parteigrenzen, sondern jeder Abgeordnete entscheidet nach seinem besten Wissen und Gewissen.
Aktuell erscheint die Politik konfliktbeladen: Die FBP muss einen neuen Präsidenten suchen, die Freie Liste versinkt in internen Querelen. Was ist los?
Jede Partei hat einmal gewisse interne Auseinandersetzungen – so etwas gehört dazu. In einer Partei denkt auch nicht jeder gleich, und man muss ab und an auch Differenzen ausdiskutieren. Aber ich bin froh, wenn wir bald wieder stabilere Verhältnisse haben. Es erleichtert die Zusammenarbeit, wenn man weiss, dass die Aussagen der Parteivorsitzenden auch von der Basis mitgetragen werden.
In Liechtenstein kennt sich jeder. Das führt dazu, dass persönliche Konflikte auch auf der Politikbühne ausgetragen werden. Macht Ihnen dieser Umstand Sorgen?
Im Grossen und Ganzen denke ich, dass der Umgang in der Liechtensteiner Politik sehr respektvoll ist. Und das liegt auch an unseren kleinen Verhältnissen: Man begegnet sich im Land immer wieder. Aber dieser Umstand kann Konflikte auch nie ganz verhindern. Es menschelt halt überall.
Haben Sie sich bereits Gedanken gemacht, wann Sie sich von der Politik verabschieden wollen?
Nein. Ich habe viel Biss – auch über die vier Jahre hinaus. Aber wie mein Entscheid in drei oder vier oder in acht Jahren aussehen wird, kann ich nicht sagen. Hier möchte ich auch nicht vorgreifen. Generell verfolgte ich in meiner Karriere nie einen langfristigen Plan. Für mich war es bereits 2017 ein grosser Schritt, dass ich mich für vier Jahre Regierungsarbeit fix verpflichten musste.
Aber ist mit einer Neuauflage von «Doktor Schlager und die Kuschelbären» zu rechnen?
Musikmachen ist für mich persönlich wichtig. Und in einer einigermassen erfolgreichen Band spielen zu dürfen, ist natürlich etwas ganz Tolles. Wir haben immer gesagt, dass die Band nicht aufgelöst, sondern momentan nur auf Eis gelegt ist. Darum ist es durchaus möglich, dass wir zum gegebenen Zeitpunkt wieder gemeinsam auf der Bühne stehen.
Woher kommt eigentlich Ihr Künstlername «Elmar del Mar»?
Damals in den auslaufenden 90er-Jahren liefen in den Beach-Klubs häufig die «Cafe del Mar»-CDs. Und darum hatten wir das Gefühl, dass «Elmar del Mar» ein gelungener Name ist. Er hat sich auch gut eingefügt in die Namen meiner Bandkollegen. (lacht)
Und abschliessend: Was löst mehr Euphorie aus – ein Wahlsieg oder ein ausverkauftes Konzert?
Das ist eine interessante Frage. Weil etwas, was mich antreibt, ist, den Menschen eine Freude zu machen. Und dieser Kern sollte sowohl bei einer Band wie auch bei einer Regierung im Zentrum stehen. Es geht nicht um Massen, die einem zujubeln oder den Applaus. Es geht darum, den Menschen durch sein Handeln etwas Gutes zu tun und Freude zu bereiten. Und da hat die Musik und die Politik – wenn sie denn Entscheide trifft, die mehrheitlich begrüsst werden – vielleicht mehr gemeinsam, als man auf den ersten Blick meint.