«Es ist nicht die Zeit für Experimente»
Interview: Patrik Schädler (Liechtensteiner Vaterland)
Seit Montag ist klar, dass die VU die Landtagswahlen – wenn auch knapp – gewonnen hat und Sie die Regierung künftig anführen werden. Wie haben Sie diese Woche erlebt?
Daniel Risch: Es war natürlich nicht der Wahlsonntag, wie wir ihn uns gewünscht haben – vor allem auch deshalb, weil das definitive Resultat abgewartet werden musste. Obwohl bereits am Sonntag zahlreiche Gratulationen eintrafen, sind dann am Montag nach Bekanntgabe des definitiven Resultats aus dem In- und Ausland, vom Fürstenhaus und von den andere Parteien sehr viele Gratulationen und Rückmeldungen eingetroffen, die mich allesamt sehr freuen. Und am Montagnachmittag standen auch einige Termine mit in- und ausländischen Medien an. Ab Dienstag lag unser Fokus dann wieder auf der Regierungsarbeit, da die Amtsgeschäfte ja nicht ruhen und es nach wie vor sehr herausfordernd ist, das Land in der Coronapandemie zu führen.
Sie haben bereits am Montag im ersten Interview mit «Radio L» erklärt, dass Sie nun die Koalitionsverhandlungen mit der FBP für die Regierungsbildung zügig über die Bühne bringen wollen. Warum pressiert es Ihnen so?
Ich habe bereits vor den Wahlen mehrfach gesagt, dass die Regierungsumbildung eigentlich zur Unzeit kommt. Wir sind insbesondere im Gesundheits-, Wirtschafts- sowie im Bildungs-, Grenz- und Sicherheitsbereich stark mit der Bewältigung der Krise beschäftigt und gefordert. Und wenn ich «wir» sage, meine ich nicht nur die Regierungsmitglieder, sondern auch die rund 50 Mitarbeitenden im unmittelbaren Regierungsumfeld und die Amtsstellen, die aufgrund der Koalitionsverhandlungen und der neuen Zusammensetzung in der Regierung neue Vorgesetzte bekommen werden. Man darf nicht unterschätzen, was hier aktuell geleistet wird, und daher ist die Regierungsumbildung mit verschiedenen personellen Veränderungen unter hoher Arbeitslast etwas, das im Regierungsgebäude alle beschäftigt. Natürlich sind die Parteigremien zu respektieren und gewisse Entscheide für die Koalitionsverhandlungen brauchen deshalb auch Zeit – damit die Exekutive aber gut funktionieren kann, brauchen wir bald Klarheit darüber, welche Personen Einsitz in der Regierung nehmen und welche Ministerien wie zugeordnet werden.
Haben bis jetzt denn schon Gespräche stattgefunden, oder gibt es bereits einen Terminplan?
Die Einladung an die FBP ist bereits am Montagabend erfolgt. Bis zu einem allfälligen Termin wird es aufgrund FBP- interner Diskussionen aber wohl noch dauern. Natürlich gibt es aber parallel bezüglich der Regierungsumbildung mit den bestehenden und möglichen zukünftigen Regierungsmitgliedern Gespräche – insbesondere auch zwischen der zukünftigen Vizeregierungschefin Sabine Monauni und mir. Mir liegen eine gute Zusammenarbeit und eine rasch gut funktionierende Regierung am Herzen.
FBP-Präsident Markus Vogt wünscht sich, dass man auf Augenhöhe verhandelt und sie nicht die Verlierer, sondern die zweiten Sieger seien. Sie waren schon bei den Koalitionsverhandlungen vor vier Jahren dabei. Wie muss man sich denn solche Verhandlungen als Bürger vorstellen?
Da die FBP vor vier Jahren deutliche Verluste (–4,8 Prozent, Anm. der Redaktion) eingefahren hat, die VU gleichzeitig leicht zulegen konnte (+0,2 Prozent, Anm. der Redaktion) und der Vorsprung der FBP sich so auf 1,5 Prozentpunkte verringerte, gab es aus unserer Sicht auch damals schon Koalitionsverhandlungen auf Augenhöhe mit einem fairen Resultat. Auch dieses Mal, einfach unter umgekehrten Vorzeichen, ist uns eine konstruktive Zusammenarbeit auf Augenhöhe wichtig. Konkret werden in diesen Gesprächen die Inhalte des Koalitionsvertrags besprochen und definiert, welcher nach Abschluss auch öffentlich einsehbar ist. Das Ergebnis ist also kein Geheimnis, sondern öffentlich zugänglich. Die Vereinbarung beinhaltet Grundsätze der Zusammenarbeit, inhaltliche Schwerpunkte der Legislatur sowie die Zuteilung von Zuständigkeiten in der Regierung und im Landtag.
Wo liegen denn die grossen Knackpunkte für die anstehenden Koalitionsverhandlungen?
Ich sehe ehrlich gesagt keine grossen Knackpunkte – jedenfalls keine, die man nicht im gemeinsamen Dialog lösen könnte, wie man es nach meinem Verständnis in Koalitionsgesprächen eben macht. Inhaltlich dürfte es keine grossen Differenzen geben und wir sollten dem deutlichen Wählerwillen, eine Grosse Koalition zu bilden, zum Wohl unseres Landes nachkommen, und das ohne grosse Nebenschauplätze über öffentliche Forderungen aufzutun.
Nehmen wir an, dass sich VU und FBP nicht einigen können. Was passiert dann?
Für den unwahrscheinlichen Fall, dass man sich letztendlich wirklich nicht einigen könnte, stünde die Möglichkeit einer Kleinen Koalition offen – oder Neuwahlen. Da die Grossparteien aber rund 72 Prozent der Wählerstimmen auf sich vereinen konnten und stattliche 20 von 25 Mandaten im Landtag erhalten haben, waren wir uns am Wahlsonntag bereits einig, dass die Grosse Koalition das gewünschte Modell sein muss. Ich habe bereits im letzten Herbst gesagt, dass aktuell nicht die Zeit für Experimente ist und ich die Grosse Koalition nicht nur, aber gerade in Zeiten der Krise als die optimale Zusammensetzung erachte. Daran hat sich nichts geändert. Einen klareren Auftrag hätten uns die Wähler auch nicht geben können.
Theoretisch wäre aber für beide Parteien eine Koalition mit der Freien Liste möglich. Beide haben 10 Mandate im Landtag und die Freie Liste drei Sitze. Damit wäre eine knappe Mehrheit vorhanden. Ist dies dann eine Option?
Ich schätzte die Freie Liste seit jeher als äusserst konstruktive Oppositionspartei mit einer oft klaren Haltung. Ich habe aber bereits vor den Wahlen gesagt, dass wir klare Mehrheiten brauchen werden, und daher mit der nächstgrössten Partei in Koalitionsverhandlungen gehen werden. Ich hoffe aber natürlich, nein, ich bin überzeugt, dass sich sowohl die Freie Liste als auch die gewählten DpL- Vertreter konstruktiv zum Wohle unseres Landes in die Landtagsarbeit einbringen werden – wie natürlich auch alle gewählten VU- und FBP-Abgeordneten.
Die Wahlbefragung des Liechten- stein-Instituts hat ergeben, dass wenn die Regierung direkt gewählt würde, dann Sabine Monauni die nächste Regierungschefin wäre. Schmerzt Sie dieses Resultat?
Nein, ganz und gar nicht, damit kann ich gut umgehen. Erstens freut mich vor allem der grosse Rückhalt, den ich bei den Wählerinnen und Wählern der Vaterländischen Union habe, zweitens war ich mir bewusst, dass ich aufgrund der vielen in den letzten Monaten und Jahren getroffenen Entscheidungen exponiert und somit auch der Kritik ausgesetzt bin, was sicher auch eine gewisse Wirkung entfacht, und drittens macht ein direkter Vergleich mit Sabine Monauni aus verschiedenen Gründen wenig Sinn. Wir haben ein sehr gutes Landtagskandidatinnen- und -kandidatenteam zur Wahl gestellt und ein Regierungsteam, das sich auch genau als das versteht: als Team. Natürlich hat der Regierungschef den Vorsitz und somit eine besondere Stellung – jedoch gerade deshalb sollte man sich selbst nicht zu wichtig nehmen.
Der ehemalige Direktor des Liechtenstein-Instituts, Wilfried Marxer, hat in Interviews die These aufgestellt, dass ein Unterländer Wähler mit 10 Stimmen weniger Gewicht hat als ein Oberländer Wähler mit 15 Stimmen. Und würde man aufgrund dieser These das Wahlresultat berechnen, wäre die FBP leicht vorne. Was sagen Sie dazu?
Ich denke, es ist legitim, dass der ehemalige Direktor des Liechtenstein-Instituts nach den Wahlen die Resultate in die eine oder andere Richtung zu interpretieren versucht. Allerdings sind hier nicht hypothetische Wahlmodelle entscheidend, sondern die gelebte Praxis und das heute kundgemachte amtliche Ergebnis der Landtagswahl 2021, welches die gültig abgegebenen Stimmen pro Wählergruppe eindeutig festhält. Wenn bis zum Wahlsonntagabend sich alle einig sind, dass sie stimmenstärkste Partei werden wollen – also am meisten abgegebene Stimmen erhalten – und am Montag möchte man das anders haben, ist das nicht nachvollziehbar. Als VU war für uns auch am Sonntag klar, dass wir letztendlich auch mit nur einer Parteistimme weniger die Wahlen als verloren gewertet hätten, und ich finde es seitens der FBP nur konsequent, dass sie das am Montag genau wie wir gesehen hat.
Konnten Sie mit Sabine Monauni bereits über die Regierungsbildung sprechen und wenn ja, welches Vorgehen würde Sie sich wünschen?
Ich freue mich auf die Zusammenarbeit mit der neuen Vizeregierungschefin und bin überzeugt, dass wir uns rasch finden werden. Ein erstes Gespräch hat bereits stattgefunden und wir werden den Austausch in den kommenden Tagen natürlich intensivieren. Ich bin überzeugt, dass uns allen daran gelegen ist, zeitnah eine gute Aufteilung der Ministerien festzulegen und ab Ende März die Arbeit und die anstehenden Aufgaben als Regierungsteam für unser Land aufzunehmen.