Ein Ziel, verschiedene Meinungen
Manfred und Dagmar, wie habt ihr den Sonderlandtag am Mittwoch und die Vorbereitung erlebt?
Dagmar Bühler-Nigsch: Nach dem Entscheid des Staatsgerichtshofs konnten wir uns bereits auf einen Sonderlandtag einstellen. Es war uns bewusst, dass die Zeit drängt. Meine Haltung zum Thema war von Anfang an klar: Ich bin der Meinung, die Regierung hat während der ganzen Coronazeit einen sehr guten Job gemacht. Sie musste in dieser aussergewöhnlichen Lage sehr schwierige Entscheide treffen, die ich immer unterstützt und mitgetragen habe.
Manfred Kaufmann: Ich hatte einige und intensive Gespräche mit verschiedensten Personen aus der Bevölkerung. Diese Gespräche zeigten mir ein sehr unterschiedliches Bild, der gemachten Erfahrungen auf. Anlässlich der Fraktionssitzung tauschten wir uns ebenfalls in einem sehr umfassenden und konstruktiven Sinne aus. Das Thema ist komplex und herausfordernd und je nach Sichtweise und gemachten Erfahrungen ergeben sich unterschiedliche Auffassungen und Beweggründe.
Wie ging es euch während der Debatte um 2G?
Manfred: An der Landtagssitzung wurde eines klar, dass sowohl der Landtag als auch die Regierung keine erneuten coronabedingten Sanktionen mehr erhoffen. Positiv zu erwähnen ist, dass es in der Debatte um die Sache ging und keine Parteipolitik betrieben wurde.
Dagmar: Während der Debatte zeichnete sich ab, dass wir das 2G-Gesetz eigentlich durchbringen müssten. Um zu verdeutlichen, dass wir 2G-Massnahmen nur im äussersten Notfall wollen, habe ich die Präzisierung beantragt, 2G nur einzuführen, wenn dies auch die Schweiz macht. Dies, um ein Regelungsgefälle zu vermeiden und nicht einen Lockdown zu riskieren.
Dagmar, du hast für das Gesetz gestimmt. Immerhin ist das 2G-Gesetz alles andere als unumstritten. Was hat dich dennoch zu dieser Entscheidung bewogen?
Dagmar: 2G ist mir lieber als ein erneuter Lockdown. Wir alle hoffen, dass dieses Gesetz, das wir verabschiedet haben, nie zur Anwendung kommt. Ich bin überzeugt, und die Regierung hat dies auch so bestätigt, dass wir 2G-Massnahmen nur einsetzen, wenn dies absolut erforderlich ist, d.h. wenn auch unsere Nachbarländer 2G einführen werden.
Du hast gegen das 2G-Gesetz gestimmt, Manfred. Heisst das im Umkehrschluss, dass du lieber Lockdowns sehen würdest, wenn es wieder so weit kommt?
Manfred: Nein, ganz im Gegenteil. Ich hatte mich gegen Schliessungen ausgesprochen, da dies höchstwahrscheinlich zum finanziellen Ruin einiger betroffener Unternehmen insbesondere im Kleingewerbe führen würde. Im Notfall würde ich auf die 3G-Regel setzen, weil dadurch zumindest niemand mehr vom öffentlichen Leben ausgeschlossen würde. Gerade Personen, die sich nicht impfen lassen können oder wollen hätten so die Möglichkeit, weiterhin am gesellschaftlichen Leben teilnehmen zu können. Das Verhindern einer Spaltung unserer Gesellschaft muss unser aller Ziel sein und ich bin sicher, dass das auch das Ziel unserer Regierung ist.
Während Dagmar auf die Möglichkeit des Referendums verwies, wollte Manfred die Vorlage direkt dem Volk vorlegen. Wie habt ihr das begründet?
Dagmar: Wir sind als Volksvertretung gewählt, um unsere Meinung zu vertreten und Entscheidungen zu treffen. Wir haben die Gesetzesvorlage abschliessend behandelt und wenn die Bürgerinnen und Bürger mit unserem Entscheid nicht einverstanden sind, so steht es allen frei, das Referendum zu ergreifen. Ich sah deshalb keine Notwendigkeit, vorzeitig eine Volksabstimmung zu beschliessen.
Manfred: Die Einführung der 2G-Regel ist ein Eingriff in verfassungsmässig geschützte Grundrechte. Wenn derartige Rechte tangiert werden, sollte auch das Volk unmittelbar mitentscheiden. Deshalb sprach ich mich für eine direkte Volksabstimmung aus.
Dagmar, du hast dich im Landtag mit deinen Anliegen durchgesetzt. Bist du jetzt vollkommen zufrieden?
Dagmar: Oh nein, mir wäre natürlich lieber gewesen, wir hätten diesen Sonderlandtag erst gar nicht gebraucht und die Pandemie wäre endlich überstanden. Wir hatten viele Gäste im Saal, die mit dem gefällten Entscheid bestimmt nicht zufrieden sind. Auch ich möchte eine Spaltung der Gesellschaft unbedingt vermeiden und wünsche mir, dass ein friedvolles Zusammenleben ohne Einschränkungen wieder möglich wird. Zufrieden stimmt mich aber, dass wir die gesetzliche Grundlage geschaffen haben, damit wir nicht in einen Lockdown müssen, falls in Nachbarländern erneut die 2G Regelung eingeführt wird!
Manfred, eine Mehrheit des Landtags hat dir nicht gefolgt. Wie frustrierend sind solche Momente?
Manfred: Ich bin lange genug im Landtag dabei und respektiere die demokratisch zustande gekommenen Entscheidungen absolut. Die Mehrheit entscheidet. Dies gilt es zu akzeptieren.
Mit euch beiden haben wir jetzt in dieser Frage zwei miteinander unvereinbare Positionen in einer Fraktion erlebt. Gibt es wegen solcher Gegensätzlichkeiten auch Streit in der Fraktion?
Dagmar: Nein, Streit gibt es deswegen sicher nicht. Wir schätzen uns und die gegensätzlichen Meinungen, die sollten in einer Volkspartei meines Erachtens ja auch Platz haben. In der Fraktion wird auch kontrovers diskutiert, das verhilft zu guten Ideen und Lösungen und bringt uns schlussendlich weiter. Das gefällt mir!
Manfred: Nein, das kann ich ganz klar vereinen. Streit kennen wir in der VU-Fraktion nicht. Die VU ist eine Mittepartei und beim Corona-Thema gehen die Meinungen – wie in der Bevölkerung – auseinander. Es ist daher auch gut, dass die Fraktion eine offene Haltung einnimmt und die verschiedenen Ansichten akzeptiert.
Wenn es solche grossen Gegensätze gibt, könnte man ja sagen, dass es sowas wie Parteien und Fraktionen gar nicht braucht, wenn ohnehin jeder nach seinem besten Wissen und Gewissen abstimmt.
Manfred: Corona ist ein komplexes Thema, bei dem geteilte Meinungen existieren. Wir sind in der Fraktion ein Team mit grossem Zusammenhalt. Wenn wir Vorstösse ausarbeiten, werden alle mit ihren Ideen, Vorstellungen, Bedenken etc. gehört, um so einen von einem breiten Konsens getragenen Vorschlag erreichen zu können. Dies immer mit dem Ziel, gute und nachhaltige Lösungen und Rahmenbedingungen für das Land und seine Bevölkerung zu schaffen.
Dagmar: Für mich ist es die erste Legislatur im Landtag und ich kann noch viel lernen. So sind für mich der Austausch und die Diskussionen in der Fraktion sehr wichtig für die persönliche Meinungsbildung. Ich bin froh, dass bei der VU das freie Mandat zählt und ich nach meiner persönlichen Überzeugung entscheiden kann. (mw)