«Die VU bildete die Konstante im Landtag»
Interview: Desirée Vogt («Liechtensteiner Vaterland»)
Herr Kaufmann, die letzten vier Jahre waren sehr turbulent und arbeitsreich. Hinzu kommen die oft langen Tage im Parlament. Wie stehen Sie eigentlich zu einer Redebeschränkung?
Manfred Kaufmann: Von einer Redezeitbeschränkung halte ich nicht viel. Es gibt Vorlagen, aufgrund deren Wichtigkeit und Auswirkung es notwendig ist, seine Begründungen zu erläutern und auch zu debattieren. Eine zeitliche Beschränkung befürworte ich nicht, aber die Abgeordneten sollten darauf bedacht sein, dass die häufig erwähnten «Ping-Pong-Spiele» zwischen teils lediglich zwei Abgeordneten abzubrechen sind, damit man sich dem jeweiligen Kernthema widmen kann. Vielfach sind die Meinungen auch schon früh gemacht, sodass bei längerem Debattieren auch von einem Abgeordneten der Antrag zum Abbruch der Debatte gestellt werden kann. Danach steht trotzdem noch jeder Fraktion eine Wortmeldung zu. Es gibt aber noch weitere Instrumente in der Geschäftsordnung oder Möglichkeiten, die einen effizienteren Ablauf bewirken könnten, wie bspw. der Antrag auf gekürzte Beratung oder das Mittel von freiwilligen Fraktionserklärungen. Die Sitzungsleitung könnte zudem mit verstärktem Nachdruck eine speditivere Beratung der Traktanden anmahnen. Insbesondere bei Traktanden, die lediglich zur Kenntnisnahme sind, sowie bei Interpellationsbeantwortungen sollte der Landtag eine beschleunigte Abhandlung durchführen.
Ist die Informationslast als Milizparlamentarier noch zu bewältigen?
Dass das Landtagsmandat zeitintensiv mit Sitzungen und Veranstaltungen sowie mit viel Lese- und Schreibarbeit verbunden ist, kann bestimmt jede Abgeordnete und jeder Abgeordneter bestätigen. Zur Bewältigung der Informationslast ist es wichtig, dass man strukturiert arbeitet und es sich zeitlich gut einteilt. Aber es ist klar, dass als Milizparlamentarier viele Abende und Wochenenden für die Landtagsarbeit zu reservieren sind. Meines Erachtens gilt es zu überlegen, ob allenfalls zukünftig auf Ebene der Fraktionen verstärkte Unterstützung geboten werden könnte. Wie dies genau gestaltet werden könnte bzw. wie die Bedürfnisse in dieser Hinsicht jeweils sind, muss aber jede Fraktion oder Partei für sich selbst entscheiden. Das Mandat gibt aber auch viel zurück. Es ist etwas Besonderes, sich als Volksvertreter für die Anliegen der Bevölkerung einsetzen und politisch aktiv an der Zukunft von Liechtenstein mitwirken zu dürfen. Die Wahl zum Landtagsabgeordneten stellt für mich deshalb auch eine grosse Ehre dar.
Diesbezüglich gab es im letzten Landtag ja eine interessante Aktuelle Stunde zum Thema «Stärkung des Landtags». Da war die Rede von vorberatenden Kommissionen oder einer parlamentarischen Geschäftsstelle. Was halten Sie von diesen Ideen?
Grundsätzlich war ich mit der Themenwahl nicht zufrieden, da sich der Landtag wiederum mit sich selbst beschäftigte. Dies wie schon so oft in dieser Legislatur, als es um Parteispaltungen, Parteiaustritte oder besondere Landtagskommissionen ging. Ich hätte deshalb lieber ein übergeordnetes Thema für die Bevölkerung bevorzugt. Dennoch brachte ich meines Erachtens konstruktive Punkte ein. So könnte ich mir zur Unterstützung der Fraktionen bspw. vorstellen, dass diesen eine Person zur Verfügung gestellt wird, welche Unterstützungsarbeit bei der Ausarbeitung von Vorstössen oder Anträgen leistet. Dies könnte sozusagen ein juristischer Mitarbeiter für die Fraktionen sein. Damit könnte besser geprüft werden, ob die Vorstösse bzw. die dahinter steckende politische Idee auch mit dem geltenden Recht überhaupt vereinbar sind oder noch allfälliger Anpassungen bedürfen. Mit einem solchen Ansprechpartner in den eigenen Reihen könnte auch vertieft über zweckmässige Lösungen in der Umsetzung von angedachten politischen Ideen diskutiert werden, was meines Erachtens sehr förderlich wäre in der letztlich vorzunehmenden politischen Interessensabwägung bei einem einzubringenden parlamentarischen Vorstoss. Eine generelle Parlamentsreform sehe ich jedoch nicht. Das Milizparlament ist für mich nach wie vor für die Grösse Liechtensteins angemessen.
Der Vorteil der Milizparlamentarier gegenüber Berufspolitikern ist, dass sie aus der Praxis kommen und so ihre Kenntnisse einbringen können, und aus ihrer Erfahrung wissen, wo der Schuh drückt und sie auch nicht in eine «abgehobene Stellung» abrücken. Für vorberatende Kommissionen bin ich nicht, da ich der Ansicht bin, dass der Landtag als Gesamtheit über die Vorlagen beraten und entscheiden soll. Zudem wird die grosse Mehrheit an Vorlagen sowieso über die Regierung dem Landtag eingebracht. Eine parlamentarische Geschäftsstelle ist mit hohen Kosten verbunden und offen gesagt, weiss ich nicht, was damit verbessert oder konkret erreicht werden soll. Auch darf man meiner Ansicht nach unser Milizsystem nicht mit den Parlamenten in den umliegenden Nachbarstaaten eins zu eins vergleichen. Unser Arbeitsparlament ist meines Erachtens grundsätzlich ein effizientes und auch bewährtes System mit einer tiefen und überschaubaren Kostenstruktur, gerade im Vergleich zu anderen ausländischen Parlamentsgebilden. Dass unser System gepflegt und von Zeit zu Zeit auch auf mögliche Verbesserungen geprüft werden soll, ist meines Erachtens aber unbestritten. Der Parlamentsdienst leistet sehr gute Arbeit und hier würde ich auch nichts ändern.
Der Landtag hat sich nicht nur viel mit sich selbst beschäftigt, er hat unter anderem auch dafür gesorgt, dass die Regierung bei der «Aktuellen Stunde» ausgeschlossen wird. Ein Fehler?
Dies war ein Mehrheitsbeschluss vom Landtag, welchen es zu akzeptieren gilt. Von dem her kann ich nicht von einem Fehler sprechen, aber ich war damals ein Befürworter, dass die Regierung bei der «Aktuellen Stunde» anwesend sein soll. Ich möchte dem nächsten Landtag empfehlen, die Geschäftsordnung wieder so anzupassen, dass auch die Regierung bei der «Aktuellen Stunde» dabei ist. Es bringt nämlich einen Mehrwert, wenn man die Meinung der Regierung kennt und auch erfährt, ob sie sich einem entsprechenden Thema bereits angenommen hat oder etwas geplant ist.
Die vergangenen vier Jahre waren sehr aufreibend. Begonnen hat die turbulente Zeit im März 2018, als Johannes Kaiser aus der FBP austrat. Inwiefern hat sich dieser Zwist zwischen ihm und der FBP auf die Landtagsarbeit ausgewirkt?
Auf die Landtagsarbeit hatte es sich in dem Sinne ausgewirkt, dass bspw. anfangs nicht klar war, ob der Abgeordnete Johannes Kaiser im Richterauswahlgremium bleiben darf oder nicht, da er ja den FBP-Sitz dort innehatte. Danach wurde eine besondere Landtagskommission eingesetzt, um die Fragestellungen betreffend Parteiaustritten auch künftig zu klären. In dieser Kommission nahmen dann Abgeordnete aus den verschiedenen Fraktionen Einsitz, was wiederum mit einigen Kosten verbunden war. Diese parteiinternen Querelen mit dem Ausschluss und der Wiederaufnahme waren meines Erachtens der Landtagsarbeit sicherlich nicht förderlich.
Damit schrumpfte auch die Zahl der FBP-Abgeordneten auf acht Sitze. Hat die VU in dieser Pattsituation daran gedacht, neue Forderungen an den Koalitionspartner zu stellen? Es ist klar, dass sich mit der Mandatsverteilung von acht zu acht das Verhältnis vom Wahlergebnis 2017 verändert hat und man deshalb auch Diskussionen innerhalb der VU geführt hat. Aber die VU war ganz klar der Ansicht, dass unsere politische Arbeit dazu dienen soll, unser Land weiterzubringen, und nicht während der Legislaturperiode Machtkämpfe auszutragen. Dazu ist dann der Wahlsonntag vom 7. Februar 2021 da, um den Wählerinnen und Wählern diesen Entscheid für die nächsten vier Jahre zu überlassen.
Im August 2018 folgte schliesslich mit der Abspaltung von Thomas Rehak, Herbert Elkuch und Erich Hasler von DU ein neues Drama. Das hat zu vielen Fragen im Landtag geführt. Wie haben Sie diese Zeit erlebt?
Diese Parteispaltung beschäftigte wiederum den Landtag. Es musste abgeklärt werden, wer nun eine Fraktion ist und wer nicht. Auch durften sich die DPL nicht als solche im Landtag bezeichnen, sondern als «Neue Fraktion», da sie unter DPL nicht zur letzten Wahl angetreten waren. Diese Parteispaltungen und das Beschäftigen des Landtages mit sich selbst sind Themen, die in erster Linie der Landespolitik nicht dienlich sind. Ich erhoffe mir in der neuen Legislatur hier klar mehr an Effizienz und andere Themenfokussierungen zugunsten der Bevölkerung.
Trauriger Höhepunkt war dann schliesslich der Misstrauensantrag gegen Regierungsrätin Aurelia Frick im Juli 2019. Glauben Sie, dass die VU bei den kommenden Landtagswahlen von diesem Geschehnis profitiert?
Das Misstrauensvotum gegen die ehemalige Regierungsrätin Aurelia Frick war ganz klar ein weiterer negativer Anlassfall in der Legislaturperiode, welcher letztlich zur Amtsenthebung durch den Landtag und dem Erbprinzen führte. Ob die Causa der ehemaligen FBP-Regierungsrätin Aurelia Frick der Vaterländischen Union bei den Wahlen bzw. beim Volk noch eine entscheidende Rolle spielt, wird sich erst am Wahltag zeigen. Die Zeiten sind schnelllebig und auf ein Ereignis erfolgt bald regelmässig in Kürze meist das nächste. Aber was man ganz klar sagen kann, ist, dass die VU über die ganze Legislaturperiode hinweg die einzige Fraktion war, welche nicht dauernd mit fraktionsoder parteiinternen Querelen belastet war, sondern quasi die Konstante im Landtag bildete, d. h. ohne Streitigkeiten und mit stetem Fokus auf die Landespolitik. Ich hoffe, dass diese kontinuierliche und konstruktive Haltung der VU vom Wähler gesehen und auch belohnt wird.
Was soll in den kommenden vier Jahren auf jeden Fall besser werden?
Die Interessen der Bevölkerung und des Landes müssen wieder verstärkt in den Mittelpunkt der Landtagsarbeit gestellt werden. Ich denke da an vom Landtag zu treffende wichtige Entscheidungen wie beispielsweise die langfristige Sicherung der AHV, das weitere Vorgehen in der Verkehrs- und Gesundheitspolitik oder auch die Notwendigkeit der Diskussion einer neuen Raumplanungsordnung. Bei all diesen Themen brauchen wir gesamtheitliche Betrachtungen. Bereits jetzt wünsche ich dem neuen Landtag das nötige Selbstvertrauen für kritische Entscheidungen und den Mut, auch weniger oder gar unangenehme politische Themen in Angriff zu nehmen.