Der Gesellschaftsminister und die Frauen
von Jnes Rampone-Wanger, Vorstandsmitglied der Frauenunion
Viele Frauen und solidarische Männer haben sich am 14. Juni vor dem Regierungsgebäude versammelt, um gemeinsam für ihre Forderungen einzustehen: für Lohngleichheit, gegen Gewalt gegen Frauen, für Vereinbarkeit von Familie und Beruf, für mehr Respekt und wirtschaftliche Anerkennung der Care-Arbeit, gegen veraltete Rollenbilder und für Chancengleichheit für alle.
Kein Interesse
Der Anlass wurde, trotz der klaren Forderungen im Manifest, das Regierungsrätin Aurelia Frick namens der Regierung entgegennahm, zu einem friedvollen Fest. Es wurde gelacht, diskutiert und demonstriert. Doch dieser lebendige Akt der Demokratie schien den zuständigen Gesellschafts-minister Mauro Pedrazzini nur ganz am Rande zu interessieren. Bereits im Vorfeld des Frauenstreiktages erklärte er in einem Interview mit Radio L, dass am 14. Juni nur wieder «von gewissen Leuten» alter Wein in alten Schläuchen verkauft werden wolle. Dann folgte eine lange Liste mit Errungenschaften in Sachen Chancengleichheit, die in den letzten Jahren erreicht wurden: Bezahlung gewisser Care-Arbeit, genügend Kita-Plätze, Verlängerung des Mutterschaftsurlaubs und mehr Teilzeitarbeitende.
Was er allerdings vergessen hat zu erwähnen, ist die Tatsache, dass all das, was bereits erreicht wurde, nicht seine alleinseligmachende Initiative war. Was bisher in Bewegung gebracht wurde, ist auch erreicht worden, weil sich die Frauenorganisationen unseres Landes vehement und meist unbezahlt dafür eingesetzt haben. Was er auch nicht reflektiert hat, ist die Tatsache, dass die «Errungenschaft», dass in 70 Prozent der liechtensteinischen Familien zwei Einkommen zur Verfügung stehen, auch nicht das Gelbe vom Chancengleichheits-Ei ist. Solange nämlich der Grossteil der eilzeitarbeitenden Frauen sind, wird sich die wirtschaftliche Situation der Frauen nicht wirklich verbessern. Was unsere Familien brauchen, sind ein einjähriger Elternurlaub und teilzeitarbeitende Väter. Wes Geistes Kind unser Gesellschaftsminister ist, zeigte sich unter anderem auch in der Äusserung, dass nicht in allen Familien eine Grossmutter «zur Verfügung» stehe, um die Kinder zu betreuen.
Stillstand und Bewegung
Im Radiointerview unterstellt Mauro Pedrazzini den Frauenorganisationen, dass sie andauernd mit den gleichen alten Forderungen kommen und darauf herumreiten, dass die Chancengleichheitspolitik in Liechtenstein im Stillstand verharre. Wäre der Gesellschaftsminister am 8. März in Schaan gewesen, hätte er vieles mitbekommen, das ihm bei seiner Arbeit geholfen hätte. Der Tag der Frau stand nämlich nicht unter dem Motto «Stillstand», sondern unter dem Motto «Stillstand und Bewegung». Wäre er da gewesen, hätte er gesehen, dass die Frauenorganisationen kein Haufen jammernder Weiber, sondern eine Gruppe demokratisch engagierter Menschen sind, die sich für unser Land einsetzen.
Aber eben: Genau so wenig wie Mauro Pedrazzini sich für den «Tag der Frau» zu interessieren scheint, wollte er auch am 14. Juni nicht die paar Schritte von seinem Schreibtisch auf den Peter-Kaiser-Platz in Angriff nehmen, um mit den Menschen, die für ihre Anliegen einstehen, zu diskutieren. Er hätte ja die Meinungen der Frauen und Männer nicht teilen müssen, aber wenigstens zuhören, wäre ihm gut angestanden.