Corona: Kritik an fehlenden Zahlen
Die täglichen Situationsberichte der Regierung zur Coronapandemie gleichen einer Achterbahnfahrt. Am Sonntag wurden nur drei neue laborbestätigte Covid-19-Infektionen gemeldet, was nach einer deutlichen Verbesserung aussah. Gestern dann der er neute Hammer: 44 Neuinfektionen in 24 Stunden. Und das Tragische: «Vier weitere der positiv getesteten Personen sind innerhalb des letzten Tages verstorben.»
Aktuell zählt Liechtenstein 192 aktiv Infizierte, davon sind 13 Personen im Spital. 284 enge Kontaktpersonen sind in Quarantäne. Und hochgerechnet auf 100 000 Einwohner sind in Liechtenstein in den letzten 14 Tagen mehr als 900 Personen an Covid-19 erkrankt.
Heute wird die Regierung entscheiden, ob ab der kommenden Woche die Gastronomie in Liechtenstein wieder geöffnet wird. Dies bestätigte Gesundheitsminister Mauro Pedrazzini auf Anfrage. «Die Massnahmen wirken, aber sehr langsam. Die Fallzahlen können stark schwanken, das ist technisch bedingt. Deshalb schauen wir auf den 7-Tage-Durchschnitt und dieser ist rückläufig. Das ist die positive Meldung. Andererseits ist das Niveau noch sehr hoch», so Pedrazzini.
Der 7-Tage-Durchschnitt – gestern waren es 24 positive Fälle – wird von der Regierung in ihrem täglichen Situationsbericht genauso wenig vermeldet, wie die Anzahl durchgeführter Tests oder etwa das Alter der verstorbenen Personen. Diese Daten müssen in Liechtenstein die Medien selbst zusammentragen, mühsam erfragen oder sie werden vom Amt für Statistik nur einmal wöchentlich veröffentlicht. Dies im Gegensatz zur Schweiz und zu Österreich.
Diesen Umstand kritisiert auch Landtagsvizepräsidentin Gunilla Marxer-Kranz (VU). Ohne die nötige Transparenz und Aktualität bei den Coronazahlen sei es für die Bevölkerung, aber auch für den Landtag nicht möglich, sich ein umfassendes Bild von der wirklichen Situation zu machen. «Eine Beurteilung der Strategie und der Massnahmen der Regierung ist für die Volksvertretung so unmöglich», so Marxer-Kranz.
«Die Situationsberichte bringen so Gott und der Welt nichts»
«Die täglichen Situationsberichte, mit denen die Bevölkerung gefüttert wird, bringen so Gott und der Welt nichts. Was wir brauchen, sind fundierte und vor allem qualifizierte Zahlen», so die Landtagsvizepräsidentin. Dies sei auch notwendig, wenn sich die Regierung eine langfristige Unterstützung der Massnahmen von der Bevölkerung erhoffe. Aktuell könne man das Gefühl bekommen, dass sich die Regierung «im Blindflug» befinde.
«Wie sollen Strategien aufgrund derart magerer Informationen entwickelt werden können?», fragt sich Gunilla Marxer-Kranz. Am Ende würden auch Existenzen an diesen «unbefriedigenden Zahlen» hängen. «Es geht um Verluste in Millionenhöhe, aber nicht nur um monetäre, sondern auch um emotionale Verluste.» Die Landtagsvizepräsidentin will sich mit ihrer Kritik aber nicht in die Ecke der «Coronaskeptiker» drängen lassen.
Für sie sei völlig klar, dass die Regierung Massnahmen ergreifen müsse, um eine Überlastung des Gesundheitswesens zu verhindern. Auch ein Blick auf die Spitalkapazitäten in der Region zeige, dass die Lage ernst sei. «Damit aber die Strategie von der Bevölkerung mitgetragen werden kann, müssen die Zahlen offen und transparent auf den Tisch gelegt werden. Und dies, ohne sie irgendwo suchen zu müssen», so Gunilla Marxer-Kranz.
(Artikel von Patrik Schädler im Liechtensteiner Vaterland)